Heft 
(1907) 15
Seite
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21. (9. ordentliche) Versammlung des XIV. Vereinsjahres.

Werke:die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zucht­wahl mit folgenden Worten bejaht:Das Gefühl für Schönheit ist für ein dem Menschen eigentümliches erklärt worden. Wenn wir aber sehen, wie männliche Vögel mit Vorbedacht ihr Gefieder und dessen prächtige Farben vor dem Weibchen entfalten, während andere nicht in derselben Weise geschmückte Vögel keine solche Vorstellung geben können, so lällt sich unmöglich zweifeln, daß die Weibchen die Schönheit ihrer männlichen Genossen bewundern.

Obwohl dies der große Forscher noch weiter zu begründen versucht hat, stellt sich Karl Möbius auf einen gegensätzlich verneinenden Stand­punkt und stützt sich dabei auf eine Reihe von Beobachtungen, welche die Gleichgültigkeit beispielsweise jener weiblichen Vögel ihren prächtigen Männchen gegenüber offenbaren. Darnach wäre die Pracht derselben, ebenso wie die Hautlappen, leuchtenden Kämme u. dergl., welche viele männliche Lurche zur Paarungszeit zeigen, nur der Ausdruck des höchsten Kraftgefühls und daß diese kräftigsten Männchen den Sieg gegenüber weniger schön ausgestatteten Mitbewerbern bei den Weibchen davon tragen, ergebe sich als natürliche Folge, die schönere Ausstattung habe also mit einem Lustgefühl, einer Schönheitsempfindung seitens der Weibchen nichts zu tun.

Möbius schließt:Ich habe versucht nachzuweisen, daß wir den Tieren das Vermögen, Schönheit wahrzunehmen, deshalb nicht zuschreiben dürfen, weil sie nicht im Stande sind, das Gesetzmäßige in den auf sie einwirkenden Naturerscheinungen zu erkennen.

Was meinen persönlichen Standpunkt anlangt, so kann mich als alten Tierfreund und unablässigen Tierbeobachter die Möbiussche An­schauung nicht völlig befriedigen. Ich habe mir zum öftern gelegentlich dieser meiner tierpsychologischen Tätigkeit bei dem höchst seltsamen gewissermaßen menschlichen Verhalten von Tieren die Frage vorlegen müssen: Gibt es Tiere welche eitel sind? Ich muß diese Frage an der Iland der Erfahrung, die bei den Naturwissenschaften ja doch den Ausschlag gibt, bejahen. Unter den edelsten Pferderassen beispielsweise gibt es Tiere, welche wir zweifellos für eitel halten, z. B. unter den arabischen Vollblutpferden und den ostpreußischen Trakehner-Pferden. Dieselben gebehrden sich schon ohne Aus- und Aufputz mitunter der­artig, daß man deutlich sieht, wie sie auffallen wollen. Besonders ist das aber der Fall, sobald sie prächtig aufgezäumt oder als Wagenpferde bunt und gleißend aufgeputzt werden. Natürlich nur junge Pferde; alte abgelebte sind nicht mehr eitel, gerade wie bei uns Menschen. Worauf sind diese Tiere eitel? doch auf sich selbst, auf ihr Gehabe und Getue, ihren Auf- und Ausputz und dies kann doch nicht anders ausgelegt werden als, daß sie auf ihre Schönheit eitel sind.