Heft 
(1907) 15
Seite
157
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1. (1. außerordentliche) Versammlung des XV. Vereinsjahres. 157

schließen, daß die Verse des Textes nicht gesprochen, sondern gesungen wurden.

Die monumentalen Gemälde stellen die zweite Ent wicklungsform der Totentänze dar: sie sind gemalte Darstellungen des alten Dramas.

den Totentanzgemälden eine große Anzahl Gestalten, welche den Tod darstellen, indem jeder einzelnen menschlichen Figur ein besonderer Tod als Partner beigegeben ist. Der Grund ist leicht erkennbar. Das

Gemälde ist auf die bildliche Wiedergabe dessen beschränkt, was das Auge in ein und derselben Zeit erschaut. Es war unmöglich den Tanz in seinem Verlaufe, wie derselbe Tod nach einander Papst, Kaiser, Kaiserin usw. zum Tanz auffordert, zu malen. Der Künstler ergriff den Ausweg, den Tod so oft darzustellen, als er das Wort ergreift. Die Folge war, daß so viele Tanzpaare entstanden, als geistliche und weltliche Stände vertreten sind. Diese Tanzpaare sind in manchen Totentanz­bildern zu einem großen Ringelreigen vereinigt. Es ist das wahrscheinlich der ältere, ursprüngliche Typus. Ein jüngerer Typus, welchen bereits die Pariser Danse macabre von 1425 aufweist, ist dadurch entstanden, daß die einzelnen Tanzpaare getrennt gemalt sind. Den äußeren Anlaß hierzu mag der Umstand geboten haben, daß der Maler der Pariser Danse macabre Rücksicht auf die Arkaden am Kloster der Saints Innocents nahm, zwischen die er den Todesreigen zu malen hatte. Jede Arkade bot nur für zwei Paare Raum.

Die Pariser Danse macabre und der Lübecker Totentanz sind beide Nachbildungen ein und desselben älteren Bildwerkes, welches das ursj>rüngliche Totentanzdrama zuerst in malerischer Darstellung geboten hatte. Während das Pariser Gemälde das mittelbare Vorbild der süd­deutschen Totentänze geworden ist, wurde der Lübecker Totentanz in norddeutschen Städten nachgebildet. Daß auch der Bei'liner Totentanz zu diesen Nachbildungen gehört, wird durch einige Übereinstimmungen in den Figuren und mehrere wörtliche Anklänge in den Versen bewiesen. Anderseits findet sich aber auch eine wörtliche Übereinstimmung mit einem Buchtotentanze, welche nicht aus dem Lübecker monumentalen Gemälde stammt. Wir müssen deshalb folgern, daß nicht dieses selbst, sondern eine etwas abweichende, von dem Verfasser des Buchtotentanzes benutzte Nachahmung, vermutlich der früher in der Hamburger Fran­ziskanerkirche Kirche St. Maria Magdalena befindliche Totentanz, das Muster gewesen ist, nach welchem ein Berliner Geistlicher das hiesige Bildwerk entworfen hat.

Während sonst Regel ist, daß je ein geistlicher und je ein weltlicher Würdenträger abwechseln, ist in Berlin mitten in den Totentanz ein Kruzifix gemalt, auf dessen einer Seite, mit dem Kaiser beginnend, die

Während in diesem ein einziger Tod agiert hatte, erblicken wir auf

Drama kann zeitlicli auf einander

Vorgänge vorführen, das