Issue 
(1907) 15
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Wilke, Unser Herjott sitt in'n Beerboom.

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lassen wiederzugeben ist. Sie kann wohl noch aus katholischer Zeit überliefert sein, wo an hochragenden Feldbirnbäumen längs der Wege Kruzifixe und Ilerrgüttel aufgehängt waren, als Mahner, des Ewigen zu gedenken. Daß aber gerade der Birnbaum als Träger der Gottes­verehrung gewählt wurde, entspringt weit älteren, heidnischen Motiven, denn nach verschiedenen andern Sagen sitzt auch der beim Birnen­diebstahl ertappte Teufel im Birnbaum festgebannt und kann nicht da­von loskommen.

Daß unsere Voreltern den wilden Birnbaum als Sinnbild der nie versiegenden Lebens- und Zeugungskraft der Erde betrachteten und verehrten, bekundet schon sein echt germanischer Name. Das Lateinische Pirus war keineswegs die Mutter der PlattdeutschenBeere, eben­sowenig wie das Französischebeurre damit etwas zu schaffen hat.

Das Mittelhochdeutscheber, beri auch bir ist die Allgemein­bezeichnung für Frucht, darunter sind Erd- und Himbeeren ebenso gut als Birnen zu verstehen. Sogar der Eber, derBeier, der Bär, die Bahre, wie auch ein kleines, geknotetes Fischernetz wurden darunter verstanden, aber aller Grundform ist das mittelhochdeutsche Zeitwortbern tragen, erzeugen, hervorbringen, gebären. Bleiben wir bei unsermBeerboom, dem wilden Feld- oder Waldbirnbaum, kurzweg nach seiner Kugelfrucht Knödel geheißen stehen, so sehen wir als auf­fallend seine Unmenge Blüten und Früchte, die erbirt, oder trägt. Es er­zeugt gerade dieser Baum ich bire mit seltner Hartnäckigkeit eine Un­menge von Verjüngungstrieben durch Wurzelbestockung, sodaß er un­vergänglich erscheint, selbst wenn nach Jahrhunderten ein Hauptstamm einmal dürre werden sollte. Dieses unverdrossene Entstehen im Ver­gehen gab wohl die sinnige Grundidee ab zu den verschiedenen deutschen Birnbaumsagen, am Untersberge, am Kyfifhäuser und an andern Orten, wo die Tradition von einer letzten, großen Schlacht noch geläufig ist. So in Chorin i. Mark, dessen alte Schreibweise Koryn = Körfeld, Wal­statt oder Schlachtfeld bedeutet, trotz Bergbaus und anderer Slawen­freunde, ist die Sage von der letzten großen Schlacht der Deutschen auch dort noch geläufig (Märk. Forschungen IV).

Der Volksglaube in der Uckermark bekundet das auch in anderer Form, durch eine besondere Wertschätzung des Birnbaumholzes. Es wurde bevorzugt zur Herstellung der Bussen (Stoßwiege auf Kufen ruhend, von bossen = stoßen), derDra hka sten (drahen oder drawen = ziehen), der ~Aussteuertruhen der Braut und zuletzl~zur Herrichtung des Totenschreines, des Sarges. Das Holz des Birnbaums soll traditionell von keinerlei Gewürm heimgesucht werden, ebenso sein Inhalt, was eine friedliche Ruhe bis zu einer fröhlichenUrsj;ed verheißt. Benutzten doch unsere heidnischen Vorfahren das Birnbaumdornicht zur Einäscherung ihrer Toten, da bekanntlich seine Heizkraft der des Buchenholzes noch