Heft 
(1907) 15
Seite
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E. Haadtmann, Musik-Problem aus der Prignitz.

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Auch ich bin seiner Zeit gelehrt worden, unser Preußisches Königs­lied sei in die Melodie der englischen Königshymne hineingefügt worden. Diese Schulzeitsmitgabe kam für mich ins Wanken, als ich mich im Spät­sommer 18G4 im Bade Reinerz, Grafschaft Glatz, befand.

Ein pensionierter Oberst hatte aus Veranlassung einer erfreuenden Nachricht vom Schleswigschen Kriegsschauplätze her der Bade-Kapellen- Musik geboten, nach Schluß des Morgenkonzerts unsere Königshymne zu spielen, die wir, natürlich mit Ausnahme der Polen, alsbald im Chore sangen. Eben war unser Sang beendet, als mit gleicher Sanges­weise ein nach der nahen Pilgerstätte Wartha ziehen wollender Wall­fahrerzug, aus dem Böhmischen kommend, anf der Promenade erschien, sich um die Halle derkalten Quelle stellte und den Vers sang:

Heil Dir, o Königin,

Des Bronnens Hüterin,

Heil Dir Marie.

Lall sprudeln klar und hell Allzeit den Labequell Zu Leben und Gedeihn:

Heil Dir Marie!

Wir Badegäste stutzten alle ob solcher Überraschung. Der damalige Königliche Bade-Kommissar, Herr von Riwotzki, belehrte uns indes, daß solche Klänge und Worte bei Pilgerzügen sowohl wie in der umwohnen­den Bevölkerung üblich wären. Er sowohl wie andere Einheimische gaben uns einen zum Schluß etwas veränderten Wortlaut an, nämlich:

Heil Dir, Du Königin,

Unsres Quells Hüterin,

Heil Dir Marie.

Zu Heilung und Gedeihn Laß sprudeln frisch und rein Unsrer Fraun Labequell:

Heil Dir, Marie!

Man machte uns für letztere, Reinerzer, Wortfassung darauf auf­merksam, daß solcher Vers nicht bei derwarmen Quelle der Frem­denquelle angestimmt werde, sondern bei derkalten Quelle, die wider Frauenleiden von Einheimischen viel, von Fremden nur ausnahms­weise damals benutzt wurde.

Einige Tage später besuchte eine Anzahl Badegäste den nahen Kalvarienberg bei Dorf Rückers, in dessen Kapelle eine Epithaphien- tafel zu Ehren des Dechanten Volkmer sich befindet. Auf diese Tafel und das Bild Volkmers machten uns zwei mitanwesende katholische Geistliche, Pfarrer Hentschel aus Striegau und Kreisschulinspektor Gomulka aus ? aufmerksam: Volkmer ist Verfasser jenes Quellen-