Heft 
(1907) 15
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Heinze, Friedeberg'»Nm. im Wechsel der Zeiten.

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gotischen Stile erbaut, dessen Formen man in einfachster Ausführung auch dem Mühlentore gegeben hatte. Besonders reich gegliedert war der Ostgiebel mit seinen das Dach überragenden Fialen, den Nischen und dem Mallwerk im oberen Teile des gewaltigen Fensters.*) Der Turm trug ein hohes Spitzdach. Von dem alten Rathause,

das auf dem heutigen Marktplatze stand, und in dessen Nähe sich das Ilalseisen befand, ist nichts mehr vorhanden.

Die übrigen Häuser waren aus Holz oder Lehmfachwerk erbaut und mit Rohr oder Stroh gedeckt. An das Woimgebäude, das lediglich für das Bedürfnis des Besitzers und seiner Familie eingerichtet war und meist den Giebel der Straße zukehrte, schlossen sich nach hinten Stallungen und Scheunen, da wegen der Unsicherheit im Lande alles, was nur einigen Wert besaß, innerhalb der Mauer untergebracht werden mußte. Die Stuben waren klein und nur dürftig erleuchtet mit Hülfe blinder Glasscheiben in den niedrigen Fenstern. Da oft sogar der hölzerne Schornstein fehlte, mußte sicli der Rauch, der aus dem Kamin aufstieg, durch Fenster und Türen seinen Ausweg suchen. Den Fußboden bedeckte ein Estrich aus Lehm. Vielen Häusern war die Brauereigerechtigkeit verliehen; deshalb besaßen sie einfache Einrichtungen zum Brauen. Schmale Feuergassen, die zugleich zur Aufnahme des Regenwassers bestimmt waren, oder breite Einfahrten trennten sie voneinander. Selbst die Gebäude des Augustiner- klostors, das 1290 gegründet wurde, und an das jetzt nur noch das Klostergut und das Dorf Mückenburg (früher Mönkhof) erinnern, unter­schieden sich nicht wesentlich von den übrigen Häusern; sie verfielen nach der Einführung der Reformation.

Die Straßen waren eng und krumm, entweder garnicht oder doch nur in mangelhafter Weise gepflastert und hatten die Gosse in der Mitte, in der sich die Schweine wälzten. Auf ihnen häufte sich der Mist, fin­den auf den engen Höfen kein Platz war. Hin und wieder fand sich ein offener Ziehbrunnen mit mächtigen Querbalken. Einzelne Bäume, welche vor den Türen standen, spendeten im Sommer einigen Schatten und milderten das wenig anziehende Bild.

Vor jedem der Tore hatte man ein Hospital errichtet, das zu St. Gertrud zur Aufnahme der Wanderer, das zu St. Georg zur Aufnahme der mit ansteckenden Krankheiten Behafteten, besonders der Aussatz­kranken, die seit den Kreuzzügen in Deutschland häutig waren. Zwischen

*) Bei der Erneuerung des Inneren in den Jahren 1858 und 59 hat man in dankenswerter Weise Kronleuchter, Kanzel, Taufstein und Altar bis in die kleinsten Teile der Spätgotik angepaßt. Im übrigen sind an vielen, besonders neuen Bauten Friedebergs die charakteristischen Züge historischer Stilformen zu erkenuen. So haben die deutsche (Kreishaus) und die italienische Eenaissance, das Barock und der modernste Cottagestil ihre Formen zur Au&schmüokung der Fassaden geliehen.