Heft 
(1907) 15
Seite
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Heinze, Friedeberg Nm. im Wechsel der Zeiten.

Auch Friedeberg war länger als ein halbes Jahrhundert hindurch der Schauplatz häutiger und grauenvoller Hexen-Verfolgungen, und die darüber noch erhaltenen Akten und beiläufigen Aufzeichnungen geben uns ein entsetzliches Bild von dein finsteren Irrwahn, welcher jene Zeit umfing. Mit blutigem Eifer eröffuete der Rat auf das unbestimmteste Gerücht und die leichtesten Beschuldigungen hin wegen Zauberei und Teufelsegnens peinliche Prozesse, welche, wenn die Tortur, qualvoller als der schließliche Feuertod, zur Anwendung gelangte, wie fast stets geschah, die Überlieferung der Angeklagten auf den Scheiterhaufen zur regelmäßigen Folge hatte. Jeder Unfall, jedes plötzliche Erkranken an Menschen oder Vieh, besonders das Verderben des Biers, wurde dem Fanflusse schändlicher Teufelskünste zugeschrieben und erbarmungslos auf einen irgendwie Verdächtigen, einen Feind des Betroffenen, vor allem auf ein elendes, altes Weib die laute, todbringende Beschuldigung geworfen. Dabei aber glaubten die Beschuldigten nicht selten selbst an die verderblichen Wirkungen ihrer albernen, mit Scheu und Haß ge­übten Künste, die sie von fahrenden Leuten und klugen Frauen erlernt hatten und dann auf andere weiter übertrugen; und nicht der Feuertod auf dem Galgenberge und nicht die F'olterqual vermochten den verhängnisvollen Drang in ihnen zu vernichten, voll Lust und Grimm sich dunklen, unverstandenen Trieben zu überlassen. So Ungeheuer­liches und Unsinniges diepeinliche Frage auch zu Tage brachte, es ist nichtsdestoweniger zu glauben, daß immerhin ein Teil der Befragten wenigstens den Willen gehabt hatte, das ihnen zugeschriebene Unheil anzurichten. Daß auch vollkommen Unschuldige, von irgend einem Gerücht oder der Erbitterung gequälter Iuquisiten bezichtigt, dem Prozesse und der Verurteilung verfielen, ist dagegen ebenso unzweifelhaft. 1587 wurden nicht weniger als fünf Personen zugleich vor Friedeberg verbrannt; erst im 17. Jahrh. fanden die letzten Prozesse statt.

Weniger hart ging man mit den Besessenen um, über welche irgend einer versäumten Glaubensvorschrift, oft schon eines unbedachten Wortes und unheiliger Gedanken wegen der Böse Macht erlangte, sie marterte und plagte, gräuliche Lästerungen durch ihren Mund ver­schüttete und sie oft zu Selbstmord oder anderer Untat anreizte und fortzog. Ihrer nahm die Kirche sich mit Eifer und mit Sorgfalt an, und es gereichte einem Priester zu weit umhergetragenem Ruhme, durch Gebet und Streitgewandtheit den unsauberen Geist übermannt und aus dem Besessenen herausgegeißelt zu haben. Das gleichzeitige Vorkommen einer Unzahl von Besessenen hat Friedeberg zu einem iu allen Chroniken jener Zeit vermerkten Rufe verholfen, von welchem ihre ehrlichen Bürger sich niemals sehr erbaut bewiesen haben.

Schon seit dem Jahre 1625 hatten sich öfter feindliche Truppen in der Umgebung der Stadt gezeigt, so daß die Bewohner nach Friedeberg