Heft 
(1907) 15
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Heime, Friedeberg Nm. im Wechsel der Zeiten.

selbst, und was dieses nicht genommen und zerstört hatte, das holte jener frech und übermütig nach.

Von nun an ließen, da Friedeberg an der alten Heerstraße von Berlin nach Königsberg*) liegt, die Durchmärsche, Einquartierungen, Plünderungen und Brände die geängstigten Bewohner nicht mehr zur Ruhe kommen. Bald legten sich Protestanten in die Stadt, bald Kaiser­liche, und alle hausten, besonders seit nach dem Tode Gustav Adolfs die Manneszucht auch dem schwedischen Heere verloren gegangen war, in derselben schrecklichen Weise.Einen gut besetzten Tisch und Bier und Wein im Überflüsse verlangte der Soldat, und wenns der Bürger nicht erschwingen konnte, dann wurdevom Leder gezogen, alles im Hause zerbrochen und zerschlagen, und der Wirt mochte gern sein gutes Glück beloben, gelang es ihm und den Seinigen, lebend und mit heilen Gliedern zu entkommen. Bei den Offizieren fand der Geplagte selten oder niemals Schutz; sie waren so verwildert wie der gemeine Mann, lebten toll und voll wie er, und wenn im Dienste nur die Disziplin nicht fehlte, sonst mochte der Soldat schon treiben, was er wollte.

So kam es, daß die Bürger zu wiederholten Malen ihre Stadt ver­ließen (1637, 1638, 1639). Selbst die öfter auftretende Pest brachte den am Leben bleibenden Bewohnern, die in dumpfer Betäubung Stück für Stück ihrer Habe verschwinden sahen und alle Mißhandlungen über sich ergehen ließen, nur vorübergehend Befreiung von den verwilderten Horden des Krieges. Unerklärlich bleibt es, wie immer wieder in dem ver­ödeten Orte neue Quellen gefunden werden konnten, den unaufhörlichen Forderungen aller Dränger zu genügen.Und als endlich der Frieden verkündet wurde, war die Stadt fast eine Ruine und viele von den Häusern, die das Element verschonte, verödet und zerfallen, von ihren Bewohnern verlassen, die in fremden Ländern, zumal in Polen, eine neue Heimat gesucht hatten oder hilflos an den Heerstraßen verschmachtet waren. Die Gebäude, von den Soldaten halb zerstört, drohten, die Vor­übergehenden zu erschlagen, und streckten wie Skelette ihre nackten und zerrissenen Gebälke in die Luft. Viel Ackerland war lange unbestellt geblieben, Unkraut und Gebüsch hatten es überwuchert, und wie lange Zeit verging, ehe sich jemand fand, der es wieder urbar machen konnte und wollte!

Die Segnungen des Friedens und die Fürsorge treuer Landesherren hatten in Friedeberg die furchtbaren Wunden des Dreißigjährigen Krieges allmählichjheilen lassen. Wohlstand und Zufriedenheit waren wieder in seinen Mauern eingekehrt. Die Zahl der Einwohner war auf 2050

*) Diese stieg früher südöstlich von Friedeherg ins Netzebruch hernieder, ging an seinem nördlichen^Rande bis Driesen und gewann von dort das Dragetal, das sie bis Hochzeit verfolgte. Die heutige Chaussee erreicht diesen Ort in nordöstlicher Richtung über Woldenberg.