Heft 
(1907) 15
Seite
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Heinze, Friedeberg Nm. im Wechsel der Zeiten.

Lichtblicke in dieser trüben Zeit waren es gewesen, als in den ersten Monaten des Jahres mehrere Teile des Schillschen Corps nach­einander sich einfandeu, um nach Franzosen und französischem Eigentum zu fahnden. Freilich trugen ihre Besuche der Stadt den Verdacht, die Schillscheu Husaren zum Schaden der Franzosen zu begünstigen, und die bis zum Frieden dauernde Besatzung durch eine Abteilung französischer Soldaten ein.

Trotz der völligen Erschöpfung durch den Krieg begann sich in den nächsten Jahren doch auch in Friedeberg die Hoffnung zu regen, daß aus den Trümmern der alten Monarchie ein neues, geistig erstarktes Preußen sich erheben und die Fesseln, in die Unglück, Übermacht und eigene Schuld es geschlagen hatten, brechen würde. Und diese Hoffnung, die durch die weisen Reformen des Königs in Stadt und Land noch erhöht wurde, konnte selbst nicht erschüttert werden, als von neuem die Heeres­massen Napoleons, in beinahe allen europäischen, ja selbst in afrikanischen Sprachen redend, in straffer Ordnung vom März bis Juni 1812 dröhnend durch die Straßen der Stadt zogen und ihr wieder uugeheuere Ein­quartierungslast brachten. Sie wurde zur hellen Begeisterung, als das Gerücht von dem Untergange des französischen Heeres durch amtliche Nachrichten bestätigt wurde, die Kunde von Yorks Vertrag mit den Russen sich verbreitete und der König den Aufruf vom 3. Februar erließ. Aus allen Ständen drängten Männer und Jünglinge sich heran, um als Freiwillige in die vaterländische Heerschar aufgenommen zu werden; Landwehr und Landsturm bildeten sich.

Bald kehrten die Trümmer der stolzen französischen Armee zurück. Still und traurig kamen die kranken und verkrüppelten Jammergestalten in Friedeberg an und warteten demütig an den Straßenecken, bis ihnen ein Quartier gegeben werden konnte. Beim Anblick von soviel Elend schmolz der Groll gegen die früheren Unterdrücker dahin, und manch Samariterwerk ward in edler Barmherzigkeit geübt.

Am 10. Februar schon zeigten sich die ersten Kosaken, und nun drängten, wie im Jahre zuvor, fast täglich Soldatenmassen durch die Stadt, nur in umgekehrter Richtung, bald Russen, bald Preußen, bald Linientruppen, bald Landwehr, im ganzen 67000 Mann mit 47500 Pferden, dazu die aus der russischen Kriegsgefangenschaft Entlassenen, die alle wieder verpflegt werden mußten. Und trotzdem stand Friedeberg nicht zurück, als Sammlungen für verwundete Krieger und zur Ausrüstung von Freiwilligen veranstaltet wurden; gegen 8000 Taler brachte es aus freiem Antriebe noch zusammen. Im Jahre 1814 kehrten 33000 Mann mit 16900 Pferden, 1815 25500 Mann mit 5500 Pferden als Gäste hier ein, und fast noch 4 Jahre dauerten die Durchmärsche, jetzt vorzugs­weise der in ilme Heimat zurückkehrenden russischen Heeresmassen fort.