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6. (4. außerordentliche) Versammlung des XV. Vereinsjahres.
beituug häufig unvollkommen. Dies kann man von der besichtigten Strausberger Steinkugel gewiß nicht sagen; ihre Bearbeitung ist im Gegenteil eine sehr sorgfältige und ihre exakte Abrundung muß außerordentlich viel Mühe verursacht haben. Dies legt dem Beschauer die allerdings unbeweisbare Vermutung nahe, daß es sich in diesem Funde um keine Schlenderkugel eines belagernden Feindes, sondern um ein Zierstück handelt, das als Zeichen eines Freihauses oder auf den beiden Pfeilern der Einfahrt eines Freihofes (dm Schwesterkugel ist verloren gegangen) irgendwie einen Freisassen au- deuten sollte. Aber mau braucht für ihre Erklärung nicht einmal soweit zu symbolisieren; wer sich der Danziger Beischläge vor den alten Patrizierhäuseru genau entsinnt, also jener eigenartigen Freitreppen, wird dort auch die üblichen beiden Kugeln am Eingänge derselben links und rechts nicht übersehen haben.
Langsam gingen wir von dort, seit Beginn der Tour bis zu deren Ende wie allgemeinem Abschluß immer unter fürsorglichem Geleit des Herrn Beigeordneten Müncheberg, die Ritterstraße den eigentlichen „Strausberg“ hinauf, einen Weg, der eine ganze Reihe älterer und ihres Stiles wegen dem Forscher interessanter Häuser bietet, während die Großestraße sich mehr modern ausgestaltet hat und ihrerseits nach dieser Richtung hin mit gutem Pflaster, sauberen granitenen Bürgersteigen, vielen Läden die neue Zeit würdig vertritt. „Die Ritterstraße war in alten Zeiten die Hauptstraße“ wurde mir gesagt. Dies ist gänzlich ausgeschlossen. Wie heute noch suchte sich damals der flutende Verkehr die kürzeste und ebene Linie über den Markt hinweg oder am Markte mit seinem Rathause vorüber und benutzte nicht einen bergigen Umweg; darum ist mindestens seit der Zeit des Mauerbaues 1254 die Großestraße die Lebensader gewesen und hieß dementsprechend vor alters nicht umsonst die Breitestraße (Bredestrate). Die Ritterstraße als solche konnte eine Hauptstraße nur dann sein, wenn sich im Zuge der Großenstraßenwestseite eine Planke befand und um den Strausberg herum ein kleineres Strausberg befestigt lag, welches das St. Nicolaiviertel ausschloß, um welches 1254 die Stadt „erweitert“ wurde, wovon in der Archivarbeit. Dann war die Ritterstraße von Süden her die einzige und als solche natürlich eine Hauptstraße.
Auf der Höhe des Strausberges führt nach Westen von der Ritterstraße eine steile Straße zum Ostufer des Straus hinab, welche der Fischerkietz heißt und zum eigentlichen Fischerkietz (einst 10 Grundstücke) hinabführt, zu einer freundlichen Lage unterhalb der Stadtwestmauer unmittelbar am See. Hier zeigte die Stadtmauer, w'elche die Bevölkerung des Fischerkietzes absperrte, ein Tor, die sogenannte „Kietzerpforte“, deren Turm 1621 beseitigt wurde. Wie es scheint, galt diese Pforte mit ihrem nächtlichen Verschluß nicht eigentlich der