Heft 
(1907) 15
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0. (4. außerordentliche) Versammlung des XV. Vereinsjahres.

den Straus!), Werkstätten, die Küche mit ihren modernen Kochein­richtungen. Eine freudlich gegebene Erlaubnis, das eben gefertigte Mittagessen der Anstaltsinsassen zu kosten, wurde gern benutzt. Und weiter ging uns der geduldige Führer voran durch die peinlich saubere Anstalt mit ihren eigenartig zusammengestellten, charakte­ristisch wirkenden Blumenbeeten. Einen Wanderfahrtteilnehmer fragte ich, wie ihm dies alles gefalle und wie etwa er den gewonnenen Eindruck kurz aber treffend schildern wolle; er antwortete:Hier

ist alles, aber auch alles Licht und Sonne! Er hat Recht. Man spürt gleichsam die Wärme und freundliche Sonne, welche jeden Winkel der Riesenanstalt durchflutet und deren zwangsweisen Insassen das Gefühl der Düsterkeit nicht aufkominen läßt im Gegenteil sie mit sich zur Helligkeit und zum Lichte eines gesitteten neuen Lebens fortreißen muß, dessen edlere frohe Stunden sie auch hier im Ver- sammlungssaale kennen lernen. Auf dem Anstaltshofo konnten wir uns kurze Zeit auch historisch erinnern, an welcher denkwürdigen Stätte wir uns befanden. Wir durchwanderten den einstigen Kloster­garten hinter der Anstalt, dessen Partien jäh zum Strausufer absinken und kamen endlich in einen schmalen wohlgepllegten Garten südlich des Südflügels aller Baulichkeiten. In ihm wies der Herr Direktor auf eine Stelle, in welcher die Erde gehäufte Knochenreste bei ein­ander geborgen, also ein Stück des alten Mönchekirchhofes.

Bis zum Besuchstage lautete der Urkundenstand über die Situation der Klosterkirche:Der einstige markgräfliche Hof südlich

des Klosters nahm im Wesentlichen die spätere Hausstello 22 ein, auf der später das Prediger-Witwenhaus stand (heut das Amtsgericht). Diese Hausstelle No. 22 (des Jahres 1879) und der anschließende Garten deckt den Raum einer alten von den Mönchen zu solchem Zwecke vom Hofe veräußerten Bürgerstelle, den ehemaligen Mönchskirchhof und einen Teil des Platzes, auf welchem die Klosterkirche gestanden. Das Prediger-Witwenhaus wurde 1750 auf einem Platz mittagwärts vom Kloster erbaut, auf welchem noch altes Kirchengemäuer sich befand.*) Diese Angaben Sternbecks zwangen zu dem Schlüsse, daß das Amtsgericht (Nachfolger des Prediger-Witwenhauses) auf der Situation der Klosterkirche teilweise erbaut sei, sodaß der heutige Siidtlügel der Anstalt mit dem alten Kirchenflügel sich nicht decken könne; man müsse daher die Situation der Klosterkirche vom Direkto- riatsgarten ein wenig nach Süden auf die Amtsgerichtslage verschieben. Heut fand ich aber, daß der Fiskus 1772ein altes Kirchengemäuer auf der Südseite des Klosters von dem Besitzer des Nachbargrundstücks, des ehemaligen Prediger-Witwenhauses für 150 Taler wieder zuriick-

*) Sternbeck, Beiträge II, 42.66.