Heft 
(1907) 15
Seite
295
Einzelbild herunterladen

8. (8. ordentliche) Versammlung des XV. Vereinsjahres.

295

Dr. Wahnschaffe zur Hauptfrage sich nicht äußerte, aber interessante Aufschlüsse über neuere Beweise für die Existenz zweier Eiszeiten in Norddeutschland gab, die jetzt von den Geologen angenommen werden. Nächst den Ergebnissen der Rixdorfer Bohrlöcher und den aus der Rix- dorfer Fauna zu ziehenden Schlüssen hat die Ausgrabung des Teltower Kanals eine Torfbank bloßgelegt, die unter starken Sand- und Lehm­schichten vergraben lag, und eine ähnlich verschüttete Torfbank mit einem wärmeren Klima angehörigen floristischen Einschlüssen wurde auch an anderer Stelle in der Mark aufgefunden.

Mein Rat ist in der Eolithefrage vorläufig: fleißig beobachten,

sammeln und abwarten. Ich muß zu meiner Rechtfertigung noch per­sönlich wiederum betonen, wie ich niemals behauptet habe, daß die brandenburgischen oder rügisch-neuvorpommerschen Eolithe dem Tertiär angehören. Wir haben sichere Beweise für das Auftreten menschenartiger Wesen im Tertiär bei uns im nördlichen Deutschland bislang nicht er­bringen können. Die brandenburgischen Eolithe, an deren Vorhanden­sein ich überzeugt glaube, gehören also nach dem jetzigen Stande des Wissens bei uns dem Quartär an.

Durch die Ausscheidung der archaeolithischen Kultur zwischen der ältesten menschlichen Gruppe des Tertiär, d. h. der Epoche eigentlicher Eolithe und den jüngeren eolithischen Steinen kann das Verständnis der eigentlichen eolithischen Epoche wesentlich gefördert werden.

Zur Verständigung in der Eolithe-Frage wird meinerseits vorgeschlagen eine dreifache Unterscheidung vorzunehmen:

1. eigentliche Eolithe (Früli-Eolithe) d. h. die dem Tertiär an­gehörigen, auf die primitivste Weise durch Menschenhand zerarbeiteten Steine, welche der Kulturstufe vor dem archaeolithischen Zeitalter im Sinne von Verworn, also der urältesten Zeit der Entstehung des Menschen angehören.

Die aichaeolithischen Steine sind, wie wir jetzt überzeugend wissen, bereits systematisch bearbeitet.

Nach der Entwicklungstheorie, die wie für den Menschen als solchen ebenso selbstverständlich auch für seine Gerätschaften gilt, muß es eine Frühperiode gegeben haben, wo das menschenartige Wesen, Steine wie sie ihm gerade zufällig von der Natur dargeboten wurden, benutzte, sie dann gleich oder nach einiger Zeit fortwarf und hierauf nach Bedarf und Gelegenheit neue Steine ergriff. Das sind die eigentlichen Eolithe; wären keine Fundstücke von ihnen bekannt, so müsste man gleichwohl aus logischen Gründen solche Eolithe als vorhanden gewesen, unweiger­lich voraussetzen. Es ist dies ein selbstverständliches Postulat der Kulturgeschichte.

2. uneigentliche Eolithe. (Mittel- und Jung-Eolithe. Dies sind an sich genau wie Eolithe der erstgedachten Klasse geformte und zer-