8. (3. ordentliche) Versammlung des XV. Vereinsjahres.
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Steins (Eolith); dagegen ist die Bearbeitung allemal beabsichtigt (Manufakt), bei der Verarbeitung, ist die beabsichtigte Zurichtung des Steins nicht selten vom Kunstgefühl geleitet (Artefakt).
LI. Max Verworn’s Studien über Archaeolithe und Pala- eolithe. — Ich habe schon mehrfach die Ehre gehabt, Ihnen von den bahnbrechenden Studien des Herrn Prof. I)r. Yerworn in Güttingen, welche das älteste Vorkommen des Menschen oder menschenähnlicher dem jetzigen Homo sapiens vorangehender Geschöpfe betreifen, Proben vorzulegen; so die vorzügliche Abhandlung über die archaeolithische Kultur in den Hipparionschichten von Aurillac in Frankreich*). Heute setze ich in Umlauf die Mitt. der Anthrop. Ges. in Göttingen vom 17. Nov. 1905 (Korr.-Blatt der D. Ges. f. Anthrop. 1906. XXXVII. Jahrg. S. 31) nnd „Archaeolithische und palaeolithische Reisestudien in Frankreich und Portugal“ (Zeitschr. f. Ethnologie 38. Jahrg. 1906. S. 611—655), welche wiederum den fruchtbringenden Gedanken und Vorschlag des gelehrten Forschers beweisend bestätigen, daß man, zum bessern Verständnis der menschlichen Urkulturen, zwischen dem Eolithi- kum und Neolithikum, eine Zwischenstufe das Archaeolithikum einzuschieben hat, so wie ich es Ihnen Brandb. XV. S. 15 früher charakterisiert habe.
In dem Bericht in der Göttinger Anthrop. Ges. erzählt Verworn, wie er die klassische Stelle bei Thenay (Dep. Loir et Cher) untersucht hat, wo Abbe Bourgeois in den sechziger Jahren v. Jahrhunderts bereits im unteren Oligocän glaubte die Spuren des Tertiär-Menschen gefunden zu haben**). Der Befund lautet verneinend. V. hat unter ca. 700 Feuersteinen in Thenay nur ein Stück gefunden, das allenfalls als verdächtig gelten kann. Merkwürdig waren die vielen mit feinen Sprüngen durchsetzten (craquelierten) Feuersteine, diese aber so ungemein massenhaft, daß schon ihre ungeheure Menge es höchst unwahrscheinlich macht, daß der Mensch sie „geröstet“ haben könne. Kannte das älteste menschliche Vorwesen überhaupt den Gebrauch des Feuers? Von Kohle fand sich in der betr. Tonschicht keine Spur, obwohl Kohle gewissermaßen unvergänglich ist. Ich selbst habe, wie ich Ihnen früher mitteilte, von den Thenayschen Feuersteinen aus den Sammlungen Bourgeois’ Proben in den Händen gehabt, insbesondere die reichlichen Sammlungen davon gesehen, welche im Museum zu St. Germain aufbewahrt werden, und die in den anthropologischen Abteilungen zu sehen waren auf mehren der Pariser Weltausstellungen. Ich hatte für meinen Teil den Eindruck des „Non Liquet“, damit will ich übrigens
*) Vergl. Brandenburgia XIV. .327; Protokoll vom 13. Dez. 1905 unter Nr. IV und Brandenb. XV. 14.
**) Vgl. Brandenburgia XIV, 516.