Heft 
(1907) 15
Seite
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9. (6. außerordentliche) Versammlung des XV. Vereinsjahres.

Sein Lied, in welchem schon die Sage ihre ersten Hanken um den ver­gangenen Baum zieht, mag hier mitgeteilt sein:

Dir, alte Eiche, will ein Lied ich singen,

Dir, alte AVüchtrin dort am AAaldesrand,

Dir sollen meiner Lyra Saiten klingen Dir weih ich dieses Lied als Liebespfand,

Stolz prangtest Du, die Schläfe hoch erhoben,

Und deine Anne streuten Schatten um sich weit.

Kühn war dein Haupt gerichtet stets nach oben,

Frei war dein Blick seit alter grauer Zeit.

Ein treues Denkmal vieler hundert Jahren,

Erwuchsest du, so heilits, durch Licbcshand.

Du sahst wie Kindes-Kinder oft in Scharen Zu dir sich kehrten nach des Waldes Rand,

Wie Arm in Arm sich ehrfurchtsvoll dir nahten,

Manch teures Freundespaar in frommer Scheu,

Wie schön die Buhlen mit den Mädchen taten,

Und nun mit einem Male ists vorbei.

Wie herrlich prangtst du noch vor wenig Tagen Du wiirdge Eiche, Zierde grauer Zeit,

Und welche schön geschmückte AVundersagen Entdecktest du dem \\ T andrer noch bis heut.

Von welchem Brausen, welchen grausen Stürmen Erzähltest du dem müden AA r andersmann;

Du sähest Wetter über dich sich türmen,

Sahst sie mit Feuerschlünden sich dir nalm.

Noch einmal blicktest du der Freiheit Blüten Und schmücktest dich mit grünem Festgewand,

Sahst, wie die Herzen voll der Freiheit glühten,

Du greise Wächtrin an des AValdes Rand.

Noch einmal aus dem irdschen Jammerstaube Erhobest du dein grünumlaubtes Haupt,

Gabst deinen Leib der Flamme hin zum Raube,

Und legtest dich, des Schmuckes jetzt beraubt.

Und dennoch wolltest du nicht eher scheiden,

Bis noch einmal die Freunde du gesehn,

Schon hörtest selbst dein Grabgeläut du läuten,

Sahst in der Ferne alle trauernd stehn;

Zum letztenmale und im Feuerglanze

Streckst du dein Haupt zum Himmel hoch empor,

Nicht laubuinkränzt, im feurgen Strahlenkränze Ragt deine Stirne deutungsvoll hervor.