Heft 
(1907) 15
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II. (4. außerordentliche) Versammlung des XV. Vereinsjahres.

dem die Schlacht beendet, lockte die Neugier die Landbevölkerung nach dem Schlachtfelde. Mein damals achtjähriger Vater wanderte in Be­gleitung eines bedeutend älteren Bruders eben dahin. Die Schulkinder machten sich aus den herumliegenden Pulvermengen sogen. Petermänn­chen, d. h. Pyramiden aus leicht feuchtem Schießpulver. Als ein solches Feuerwerk nicht brennen wollte, hieß der ältere Bruder meinen Vater das Feuer anblaseu. Sofort explodierte das Pulver und verbraunte ihm das Gesicht. Ein französischer Korporal, der dies mit ansah, ohr­feigte meinen Oheim und zwang ihn, die Nacht hindurch bis zum Morgen Tote zu begraben.

Interessant ist eine Erinnerung aus dem Leben unseres großen Historikers Leopold von Ranke, der 1795 in dem benachbarten Wiehe das Licht der Welt erblickte. Er erzählt, daß sich die Schulkinder Gruben gegraben, um den Kanonendonner von Auerstedt besser zu hören. Am Nachmittag des Schlachttages zogen die geschlagenen Preußen durch Wiehe. Wenige Stunden darauf kamen französische Soldaten, Brandschatzung fordernd.

Nach der Schlacht von Leipzig kamen die Franzosen, diesmal als Flüchtlinge, durch Auerstedt und die Nachbarorte, wo sie plünderten und auch sonst Unfug trieben. Aus der Schulchronik von Kloster lläseler entnahm ich, wie man den Pfarrer dort so ausgeraubt, daß er in den Pantoffeln seiner Magd amtieren mußte.

Noch eine andere Erinnerung humoristischer Art vom Jahre 1813 hat sich in der Bevölkerung erhalten. Auf der Flucht übernachtete Napoleon im Kloster Häseler und schickte, da es ihm an Wein fehlte, eine Ordonnanz nach Burgheßler, wo er Franzosen vermutete, um ein paar Flaschen zu holen. Inzwischen war aber dort der General Tschernitschew mit seinen Russen eingedrungen. Dieser ließ den Boten unbehelligt und schickte ihn höflichst mit einigen Flaschen Wein an Napoleon zurück; auf dem Begleitschein stand geschrieben:Avec mes complimeuts. Tschernitschew. Als der Kaiser dies las, soll er sehr er­schrocken den Wein stehen gelassen und sich schleunigst auf die Flucht gemacht haben.

Wenn ich der II. Mitteilung über Jena noch einige spätere Er­innerungen über das Studentenleben daselbst nach den Freiheitskriegen angeschlossen habe, so möge dies mit dem allgemeinen Interesse und die Ereignisse selbst damit entschuldigt werden, daß die Ausschreitungen der akademischen Jugend aus Jubel über die Freiheitskriege und in dem instinktiven Gefühl erfolgten, gerade hier an der Stätte des Niedergangs Preußens auch die glorreiche deutsche Erhebung von 1813 bis 1815 zu feiern. Der Zufall hat es gewollt, daß ich während meines alljährlichen Aufenthalts in Greifswald bei meiner Schwiegermutter Frau Wilhelmine Schenk geb. Hinrichs im Susemihlschen Hause Fischstraße Nr. 9 genau