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11. (4. außerordentliche) Versammlung des XV. Vereinsjahres.
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artig tatkräftig an, daß Napoleon schließlich 300 000 Frank auszahlen ließ. Als Anhang zum Katalog hat Herr Ernst Devrient aus bislang unbekannten amtlichen Quellen hierüber einen interessanten Bericht veröffentlicht. Es fällt darin auf, daß den eigentlichen Löwenanteil daran mit 8000 Frank der Pfarrer des Vororts Weningen-Jena erhalten hat.
Auf diesen Geistlichen ist viel, sogar mit einiger Übertreibung Schimpf gehäuft, er ist als Verräter gebrandmarkt worden, weil er den Franzosen durch das Rautal den Weg in die linke Flanke der Verbündeten gewiesen. Er war, wie seine ganze Gemeinde ausgeplündert worden und hatte seinen persönlichen Verlust auf mindestens 2000 Taler angegeben, den ihm die Franzosen zu ersetzen versprachen. Man darf auch nicht vergessen, daß die Feinde ihn durch Todesdroliungen zu dem Verrat nötigten. Soll doch Friedrich Wilhelm III. nach der Schlacht von Auerstedt einen gefangenen französischen Husaren mit gezogenem Degen bedroht haben, als er Aussagen verweigerte.
Auffallend war die Ruhe und Sorglosigkeit der Jenaer Bevölkerung, auch der Universitätskreise und der Studentenschaft bis zum Einbruch der Katastrophe, die völlig überraschend gekommen sein muß. Goethe weilte in Jena aus amtlichen und schriftstellerischen Gründen bis nach dem Unglückstag von Saalfeld und dem Heldentode Louis‘Ferdinands am 10. Oktober 1806. Vor mir liegt eine von ihm gefertigte Sepiazeichnung ländlicher Häuser bei Jena, dazu hat er — beides für ein Stammbuch bestimmt — folgende Verse deschrieben:
Zu unsers Lebens oft getrübten Tagen Gab uns ein Gott Ersatz für alle Plagen,
Daß unser Blick sich himmelwärts gewöhne,
Den Sonnenschein, die Tugend und das Schöne.*)
Jena, den 5. Oktober 1806. Goethe.
Die Studentenschaft, damals noch teils in kosmopolitischen Träumen befangen, teils völlig in Anspruch genommen durch das wüste Renommierwesen, letzteres sprichwörtlich gekennzeichnet durch den bekannten Klapphorn vers:
Wer von Jena kommt ungeschlagen,
Der kann von großem Glücke sagen.
verhielt sich den sich überstürzenden Ereignissen gegenüber anfänglich ziemlich passiv. Aber gerade wie in Preußen entwickelte sich die patriotische Opposition in den folgenden Jahren in der akademischen Jugend Jenas und Thüringens unter dem Drucke der Fremdherrschaft immer
*) Die zwei seltenen Blätter sind aus dem literarischen Nachlaß des kürzlich verstorbenen Buchhändlers und Antiquars Albert Cohn an unsere Stadtbibliothek gelangt.