Heft 
(1907) 15
Seite
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11. (4. außerordentliche) Versammlung des XV. Vereinsjahres.

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Kronprinz Friedrich als Arrestant daselbst, die Schlacht bei Zorndorf das Schloß und das Friedrichs- und Museums-Zimmer, dessen Samm­lungen großenteils von Herrn Noel herrühren, und andere Denkwürdig­keiten werden ausdrucksvoll mit allen geschichtlichen Belägen vortreff­lich geschildert. Ich danke Herrn Noel verbindlichst und empfehle die Schrift Ihrer besonderen Aufmerksamkeit.

XXI. Archivrat Dr. Granier: General Clarke und die Exekution zu Kyritz im April 1807, vorgelegt mit Bd. 19, erste Hälfte der Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Ge­schichte (1906.) Es handelt sich in diesem nach besten arcliivalischen Quellen geschilderten Aufsatz um die traurige justizmörderische Er­schießung des Kämmerers Schulz und Kaufmanns Kersten, ein Thema aus- traurigster Zeit, worüber uns u. M. Dr. Gustav Albrecht in einiger Zeit einen besonderen Vortreg halten wird.

XXII. Die Seidenstoffe aus dem Reliqienschrein Karls des Großen, welche am 9. d. M. durch Herrn Gelieimrat L es sing im K. Kunstgewerbemuseum in meiner Gegenwart vorgezeigt und erläutert wurden, sind für unsere früheste Kultur, speziell die Kunde der aus dem Osten eingeführten Seidenstoffe von solchem Interesse, daß ich sie auch in der Brandenburgia erwähnen möchte. Von den Stoffen hatte man schon genauere Kenntnis durch eine Veröffentlichung französischer Forscher, die im Jahre 1845 einer Eröffnung des Schreins beiwohnten und damals zum erstenmal die Aufmerksamkeit der Forscher auf diese Reliquien der Kunstgeschichte lenkten. Inzwischen sind nun durch das Entgegenkommen der Erzbischöfe von Köln, Dr. Simar und Dr. Fischer, der modernen knnsthistorischen Forschung viele Kirchen mit ihren Schätzen in Gräbern und Reliqnienkästen erschlossen worden. Hunderte der kostbarsten Seidenstoffe sind ans Licht geschafft und dem Berliner Museum zugeführt wurden; eine ganz neue Foischerarbeit setzte ein, und was uns alle übrigen Gebiete der Kunst allzu spärlich nur ver­raten hatten, das wurde aus dem Studium dieser Stoffe klar: ein inniger Zusammenhang zwischen den einzelnen Kulturzentren der Welt im 7. Jahrhundert nach Christns. In den Geweberesten offenbart sich die Kunst des Orients, speziell die der Sassaniden, als die große Nährmutter Europas. Überall tauchen sie auf, die sassanidiscben Motive, der Kreis mit dem hochaufragenden Lebensbaum, zu dessen Seite jagende Reiter sich tummeln, desgleichen die sassanidischen Fabeltiere, der Elefant, der Greif, der Drache; sie begegnen dem Auge immer wieder auf deutschen, italienischen, spanischen, ja auf japanischen Stoffen alter Zeit. Der Weg, den diese alles überflutende, alles befruchtende Kunst vom Orient her nach Europa nahm, ging über Byzanz. Dennoch waren bisher nur zwei sicher zu datierende byzantinische Gewebe mit Sassanidensymbolen bekannt. Da dachten unsere Forscher an die Tücher im Schrein Karls