Heft 
(1907) 15
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12. (5. ordentliche) Versammlung des XV. Berichtsjahres.

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unlängst veröffentlichte Skizze,eine kunstgeschichtliche Kuriosität, die von einer neu entdeckten, tatsächlich vorhandenen Malerinschrift F. Dahleke Maler 1889 zu berichten weiß, ist eben nichts weiter als eineKuriosität. Der dritte Teil des Vortrags gab Mitteilungen aus der Familiengeschichte des Grafen Rochus v. Lynar. Die auf dem Altarbild im Schnmckgewand ihrer Zeit dargestellte erste Gemahlin Anna de Montot entstammt einem altadligen französichen Geschlecht. Sie war eine eifrige Protestantin (Hugenottin), ein Muster der Frömmig­keit und Tugend, wie die Kirchenchronik sagt; sie starb hier den 31. Mai 1585. Vor ihr knien (auf dem Altarbild) ihre drei Töchter Anna, Elisabeth (bereits vor der Errichtung des Stiftungsaltars verstor­ben) und Anna Sabina. Auf der entgegengesetzten Seite sind die fast lebensgroßen Figuren des Grafen und seiner beiden Söhne Johann Casimir, später Oberkammerpräsident und Statthalter von Baireutb, und Augustus (trotz frühzeitiger Erblindung einer der gelehrtesten Männer der Zeit) in wunderbarer Portraittreue dargestellt. Graf Rochus Guerini v. Lynar der Stammvater des noch heute bestehenden deutschen Grafen- und Fürstengeschlechts, ist ein geborener Italiener (Florentiner); er kam früh nach Frankreich (Paris, Metz), wo er bei der Erstürmung der Feste Diedenhofen das linke Auge verlor, (auf dem Altarbild markiert). Nach­her nahm er Dienste als Festungsbaumeister ^.in der Rheinpfalz (Heidel­berg) und in Kursachsen (Dresden). Von 1758 bis zu seinem Tode 159G er starb 71 jährig wohnte er in Spandau als treuer Berater, General derArtollerie, Zeug- nnd Baumeister des Kurfürsten Johann Georg, dessen Standbild in der Siegesallee zu Berlin die Büste des Grafen als Nebenpostament zeigt. Der Kurfürst zeichnete ihn überall aus und do­tierte ihn reichlich. Die von dem Grafen gegebene Arbeitsordnung vom G. Mai 1578 ist beachtenswert; sie zeigt übrigens, nebenbei bemerkt, -- wie unvollständig derwelsche Graf bis zuletzt das Deutsche be­herrschte. Die Kirchenchronik rühmt seine große, edle Gestalt, seine Talente, zumal als Miterbauer cler hiesigen Zitadelle und des Berliner Schlosses, seine Gelehrsamkeit und Tapferkeit; er wandte sich in frühen Jahren den Hugenotten Frankreichs zu; als überzeugter evangelischer Christ war er ein Förderer der Reformation, ein Mann desevangelischen Bundes, ein Freund von Kirchen und Schulen. Während desjämmer­lichen Zustands der SpandauerWundererscheinungen von 1594 (Ge­sichte und Offenbarungen derBesessenen) trat der Graf nach allen Seiten hin klärend und vermittelnd auf. Für Spandau hat er viel ge­tan, seine Stiftungen für die Stadt und für die Stadtkirche von St. Niko­lai, welch letzterer später unter anderm die LynarscheMeierei auf dem Plan überwiesen wurde, dauern fort, noch heute weiß sich die Nikolai-Kirche dem Grafengeschlecht v. Lynar auf Schloß Lübbenau im Spreewald verbunden : neben dem Stiftungsaltar mit seinen herr-