> 12. (6. ordentliche! Versammlung des XV. Vereinsjahres.
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Bei zunehmendem Gebrauch des Feuers wird man bald dahinter gekommen sein, den (wohl erst roh genossenen) Brei zu kochen. Möglicherweise ist dann noch eine lange Zeit vergangen, bis auch das Kochen nicht mehr genügte; z. B. die Unbequemlichkeit, wo es sich bei weiten Wegen um Mitnahme von Nahrung handelte, wird lästig gewesen sein. Eine zufällige Entdeckung oder ein schüchterner Versuch hat diesen Zustand geändert: der auf dem erhitzten Stein liegende Brei gelangte zum Rösten; er wurde fest und somit „handlich“ und mundete zudem vortrefflich, wenigstens jenen nnverwölmten Leuten.
Hier kann ich Ihnen ähnliches ans der Gegenwart mitteilen. (Allerdings bleibt immer ein Unterschied zwischen Brei und Teig.) „An den Abhängen des Kaukasus, also noch in Europa, kommt der Reisende durch Gebiete, die von der modernen Kultur fast unberührt sind. Hat man aber das Gebirge überstiegen und Turkestan erreicht, so fühlt man sich nicht nur um Jahrhunderte, sondern um Jahrtausende zurückversetzt. Das rauhe Bergvolk der Suaneten, das südlich vom Elbrus w'ohnt, hüllt sich zum großen Teil noch nach der Art der Germanen zu Tacitus Zeiten in einfache Felle von Ziegen oder Bären; diese Felle sind nur in rohester Weise etwas gegerbt An einzelnen Orten dieser Gegend wird bereits gesponnen, aber noch ohne Spinnrad, indem Faden und Spindel in mühseligster Weise mit der Hand gedreht w 7 erden. Ebenso einfach und an die ältesten Zeiten erinnernd ist die Art, wie die Bevölkerung ihr Brot backt. In den höhergelegenen Landstrichen wird der Teig, wie es bei den homerischen Griechen Sitte war, auf heiße Steine gelegt und auf diesen gedörrt. Mehr talwärts aber ist man schon fortgeschrittener, indem man dort besondere Backöfen kennt. Allerdings sind diese Backöfen äußerst primitiv und sehr merkwürdig; sie bestehen nämlich aus Weiden, die zu Körben geflochten sind. Doch geben die Weiden nur das Gerüst ab, das dem Feuer nicht ausgesetzt werden darf; der eigentlich feuerbeständige Ofen ist das Innere des Korbes, der ganz mit Lehm ausgestrichen ist, der in der Hitze schnell trocknet. Will man einen solchen Ofen oder Korb zum Backen benutzen, so macht man innen ein starkes Feuer an, w r o es unmittelbar auf den Lehm wirkt und die Weiden nicht gefährdet. Sind die Lehm- wäude dann heiß, so streicht man den Teig in großen Fladen herum, so daß er anbackt und gar wird. Es handelt sich oft auch hier nicht um ein eigentliches Backen, sondern immer noch mehr um ein Rösten; doch stellt diese .Brotbereitungsweise immerhin schon einen Fortschritt dar.“*)
In Persien wird das sogenannte (aus Reismehl bestehende) Brot auf ähnliche Weise in einem Backofen hergestellt, der tief in die Erde
*) D. Tagesztg. 223, 22. Sept. 1902.