Heft 
(1907) 15
Seite
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12. (5. ordentliche) Versammlung des XV. Vereinsjahres.

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Rades entstellt. Das koptische Klosterbrot zeigt gleichfalls 8 Einschnitte. Anderes altrömisches Gebäck und die christlichen Totenbrote weisen nur G Einschnitte anf. Bei sehr vielen dieser Gebäcke befindet sich in der Mitte eine kleine runde Vertiefung oder eine knopfartige Erhöhung oder ein ausgesparter Kreis mit einem Grübchen. Eine Anzahl der Ab­bildungen lässt darauf schliessen, dass neben der kugelrunden auch die ein wenig zum Ovalen neigende Form Geltung erlangte; bei ersterer wirken die Einschnitte (deren Anzahl übrigens nebensächlich wäre) natürlich stärker, als sei die Darstellung eines Rades beabsichtigt; und der von der Schönheit des innern Zusammenhangssymbolischer Orna­mentik Berauschte kann jene Voraussetzung schwer los werden. Aber man soll nüchtern prüfen und vorerst immer das Einfachste annehmen, was in diesem Falle die Leichtigkeit wäre, mit wenigen Schnitten eine Verzierung auszuführen.

Wie verlockend es ist, einen gewissen Ideenkreis zu verfolgen, sollte ich an einem Ostersonnabend in Neapel erfahren, als ich in Seitenstrassen des Toledo die unglaublich gewaltigen Ausstellungen von Festspeisen bewundern konnte. Dort traf ich wiederholt grosse Brote mit dem Hakenkreuz verziert, dessen Linienführung hier allerdings keine rechtwinklige war, sondern der sich kreuzenden Verdoppelung eines S glich. In Länge und Breite 2030 cm, aus Teig hergestellt und zum Festbacken auf das Brot gefügt. Wenn ich auch den Buchstaben S nötigenfalls hätte gelten lassen müssen, so erinnerten mich die runden Haken doch auch an das Triquetrum und somit wiederum an jenen Ornamenten-Kreis, der so oft schon Gegenstand eingehender Forschung war. In einem Falle zeigte das grosse Verzierungsstück noch zwei äusserst schmale Querleisten. Das erste Brot, auf dem ich das Haken­kreuz (oder das Doppel-S) erblickte, war von der Grösse eines etwa zweijährigen Kindes; es hatte auch ein Gesicht erhalten. Natürlich fragte ich nach der Bedeutung des Zeichens. Ach! sagte man, das sei schon so von altersher; das seien zwei S, und die kämen zu den Fest­tagen aufs Gebäck. Und andere meinten: das Zeichen bedeute garnichts; man wolle nur zu Ostern und zu Weihnachten das Gebäck hübscher ge­stalten. Auffälleud grosse Brote, die in ihren Umrissen an ein einge­schnürtes Kind erinnerten, traf ich in sehr grosser Anzahl. Solch Brot führt den Namen alla dolores. Ich fragte vergebens: warum dolore? (Schmerz). Mir kam schon der der Gedanke, ob der an Überraschungen reiche neapolitanische Dialekt vielleicht den Namen aus alla due esse (2 S, im Alphabet heisst der Buchstabe sesse) gewonnen habe. Übrigens könnte einem und dem andern bei dem Doppel-S sacrosanto (sehr heilig, unverbrüchlich) einfallen. Aber auch für diese Frage hat Hoefler eine Antwort, die ich nachher mitteilen werde; vorerst sei noch anderes erwähnt.