Heft 
(1907) 15
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12. (5. ordentliche) Versammlung des XV. Vereinsjahres.

lein und warf sie in die siedende Fettigkeit. An der Pfanne stand ein dritter, mit einem kleinen Bratspieße, er holte die Kringlein, wie sie gar wurden, heraus, schob sie einem vierten auf ein ander Spießchen, der sie den Umstehenden anbot; letztere waren junge Bursche mit blonden und lockenreichen Peruquen, welches hier Engel bedeutet. Noch einige Figuren vollendeten die Gruppe, reichten Wein den Beschäftigten, tranken selbst und schrieen die Ware zu loben; auch die Engel, die Köche, alle schrieen. Das Volk drängte sich herzu, denn alles Gebackene wird diesen Abend wohlfeiler gegeben und sogar ein Teil der Einnahme den Armen.

Wenn Hoetler erklärt, daß der Rest des Teigs,die sog. Abkratze oder die Scharre, der Schaben, ein häufig zu findender Tribut an die Glück und Fruchtbarkeit vermittelnden Geister ist und daß fast alle diese Rest-Gebäcke (er nennt u. A. Scharrbeuge: Niederbayern, Schurrback: Schlesien, Gotteskuchen: Oberpfalz) ein Spendebrod an die Seelengeister gewesen sind, so weist er in seinen Schriften auch wiederholt nach, wie daraus die Spenden an Arme erwachsen sind. Der ostpreußische , Flamintladen, der für die Engelchen ist (mit dieser Bezeichnung meint man dort zumeist die verstorbenen Kinder) und die westpreußischen Scharrbacken sind für mich sehr erfreuliche Bestätigungen der so über­aus wertvollen Iloeflerschen Untersuchungen.

Doch nach Neapel zurück! Eine Dame meiner Bekanntschaft schrieb mir:Am 19. März, dem Feste des heiligen Josef, war es, als wir mit der elektrischen Bahn durch die Strada Lucia fahrend in dem Atrium der gleichnamigen Kirche große Tische sahen, auf denen eine Menge von runden Broten gehäuft lagen, die hin und wieder mit einer ausgebreiteten Stola bedeckt waren. Zugleich sprangen Knaben, die eben­falls eine Stola um den Hals gelegt hatten und mit Brot beladen waren, auf das Trittbrett des Wagens, um uns das Brot zum Kauf anzubieten. Man sagte uns, daß diese gereichten Brote an mehreren Festtagen ver­kauft würden und daß sie für alle möglichen Fälle als gute Heil- und Präservativmittel gelten. Die Brote haben etwa 20 cm im Durchmesser.

Derselben Dame verdanke ich die Mitteilung, daß das zum Abend­mahl der Mennoniten erforderliche Brot ein Gebäck ist, das sich aus sechs länglich runden, winzigen Brötchen zusammensetzt, ganz dem Kopfchen*)=Semmel meiner Heimat entsprechend.Bei den Menno­niten ist es Gebrauch, daß das Brod zum Abendmahl gebrochen wird. Der Geistliche hat kopfchenförmiges Brot [also dieselbe Bezeichnung!] und bricht immer ein Stückchen ab. Jeder der Abendmahlfeiernden hält ein besonderes Taschentuch (von feinem Zeuge) bereit, auf das das Stückchen Brot gelegt wird.

*) Der Oetpreuße sagt Köpfchen, nicht Köpfchen.