Heft 
(1907) 15
Seite
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12. (6. ordentliche) Versammlung des XV. Vereinsjahres.

Von einem 88 Jahre alten Landmann ließ ich mir heute erzählen, daß dies schon Sitte bei seinen Voreltern gewesen sei und daß auch ein jedes vom Gesinde zum Weihnachtsfeste seine drei Stollen ä 10 Pfennig als Weihnachtskuchen bekam.

Ob sich nun der Brauch über die ganze Mark erstreckt, weiß ich leider nicht, jedenfalls aber auf unsere ganze Umgegeud.

Auf den Flämingsdörfern wird ferner zum Charfreitag ein Brötchen in derselben Güte gebacken, nur in runder Form und mit einem eingedrückten Kreuz, das sogenannte Kr euzb rötchen. Zur Fast­nachtszeit gibt es dort dann noch die Klemmknchen, ein manchmal recht gut schmeckendes Gebäck, ähnlich den Mohnblättern, nur in anderer Form, 20 cm lang, 10 cm breit. Dies wird in einem zangen­artigen Eisen über offenem Feuer gebacken.*)

d) Die von Herrn Assessor Rademacher eingesandten Backformen sind teils die erwähnten aus Treuenbrietzen, teils ganz ähnliche aus Kalbe a. Saale, Provinz Sachsen, nämlich Blechformen mit primitiven Umrissen von geometrischer Gestaltung, von Menschen und Tieren etc., mit denen die noch rohen Teigklümpchen abgestochen werden. Sie sind weit über 50 Jahre alt.

e) Fräulein Elisabeth Lemke legte endlich noch aus Westpreußen kleine aus Kraftinehl oder ähnlichem Stoff zu backende, entsprechend bunt bemalte kleine Gebäckezum Glückgreifen am Sylvesterabend vor. Sie sind durchweg symbolisch: 1. der Ring; 2. der Mann; 3. die Frau; 4. das Kind; 5. das Brot; 6. das Geld; 7. der Glaube; 8. der Tod; 9. die Himmelsleiter; 10. der Himmelsschlüssel. Aus diesen Sächelchen wurde eins herausgegriffen und entsprechend danach die Zukunft gedeutet.

f) U. M. Friedrich Wienecke, als eifriger Volkskundiger, teilt nachfolgende Märkische Back- und Brotsprüche mit. Die unten anfgeführten Sprüche wurden bei dem Backen und Anschneiden des Brotes (Kuchens) in den Dörfern Lögow bei Wildberg und Rosendorf bei Lenzen gebraucht. Die Backsprüche sprach man bei dem Einsetzen des Brotes. Nachdem der Ofen aufgeheizt war, stellte man den Herd dadurch fest, daß man auf dem Schürzei, auf dem das Brot in den Ofen geschoben wurde, drei leere Ähren befestigte und dann ihn dreimal in dem Ofen bewegte. Waren die Ähren braunschwarz, so war der Herd gut. Dieses Bewegen des Schürzeis begleitete man mit Sprüchen. Es geschah einmal, um die richtige Zeit innezuhalten, dann aber auch, um die fromme, dankbare Gesinnung zu betätigen.

*) Anscheinend ein wafielartiger, süßer, im sogenannten Waffeleisen gebackener, möglichst noch warm verzehrter Kuchen, ähnlich den französischen, in Paris sehr beliebten Gaufres.