Die Pimpinelle in der Volkskunde.
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Seiten weiter sagt er, daß der Saft des Krauts [Bibernell] Scliädelwunden heilt: „Sie haben einem Hanen die llirnsclial oben aufgestochen, doch nit gar durch bis in das Hirn, darnach haben sie den Safft von der Bibernellen in die Wunden getreuft't, das haben sie einmal oder etlich getliau, so seyen die Wunden wieder geheylet.“
Damals als die Wertschätzung der Pimpinella sich in staunenerregender Weise ausbreitete, gab es noch nach uraltem Glauben sog. wilde Männlein und Weiblein, die im Walde und auf den Fluren umherschwärmten, sich zuweilen den Menschen zeigten und ihnen auch so oder so einen Dienst erwiesen.
Als nun einmal in Granbünden der schwarze Tod (die Pest) wütete und so viele Opfer forderte, das ganze Höfe ausstarben, machte man die Entdeckung, daß gar keine wilden Männlein und Weiblein starben. Dahinter mußte ein Geheimnis stecken, zumal die Kleinen jede Auskunft verweigerten. Da fiel einem besonders eifrig nachdenkenden Manne eine List ein. Er goß Wein in die Höhlung eines Steines, zu dem man ab und zu Nahrung hintrug, als Lohn für ein kluges, einige Hirtendienste verrichtendes Männchen. Dieses erschien, entdeckte den Wein und berauschte sich daran. Nun kam der Spender aus seinem Versteck hervor, dringender als je nach dem Geheimmittel forschend. „Ich weiß es wohl“, sagte der Kleine, „Eberwürza und Bibernelle; aber das sag i Dir no lang nit.“ Ohne noch weiteres zu erfragen (was bei dem Zustand des Kleinen ein Leichtes gewesen wäre), eilte der Mann nach Hause; und sogleich wurde das Pestmittel allen Nachbarn mitgeteilt. 1 )
Von Herrn Geh.-Rat Friedei erfuhr ich das Sprüchlein:
„Eberwurz und Bibernell Heilen alle Wunden schnell.“
Als die Pest in Oberfrankeu arg regierte, kamen bei Staffelbach die Holzfräulein aus dem Walde, um den Leuten zuzurufen:
„Eßt Bibernellen und Baldrian,
So geht euch die Pest nicht an.“ 2 )
Die beim Schloß Tirol wohnenden Nörkelen riefen zur Pestzeit: .. „Hättet ihr gegessen Bibernell und Himmelsbrod, lebtet ihr allesammt.“ 3 ) Die Querkelen naschten der Bäuerin die Klöße aus dem Kochtopfe weg. Als die Bäuerin endlich die Geduld verlor und die Klöße beim -j Hineinlegen zählte, erklärten die Querkelen, die Zeiten wären ihnen zu | schlecht, wenn schon die Klöße in den Topf gezählt w'ürden. Sie wan-
i ') Theod. Vernaleken, Alpensagon. (Wien 1858.) 8.214.
■ ( 2 ) Friedrich Panzer, Beiträge zur deutschen Mythologie. Bayrische Sagen
§ und Bräuche. (München 1848—55.) Bd. II. S. 161.
8 ) Panzer, Bd. II. S. 99.