Heft 
(1910) 18
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Elisabeth Lemke.

derten also aus. Aber als sie sich über den Main führen ließen, gaben sie zum Abschied den Menschen den guten Rat:

Eßt Steinobst und Bimellen,

So wird euch nicht das Herz geschweilen.)

Neben die wilden Männlein und Weiblein, Holzfräulein, Nörkelen und Querkelen stellt die Sagenbildung Vögel, Stimmen aus der Luft, Engel u. a. m.

Karl Frhr. von Leoprechting schreibt in seinem BucheAus dem Lechrein: 2 )Der Bibernell darf ich sonderlich nit vergessen, ihr Lob singen sogar die Vögelein. Sie sichert vor Seuchen und deren An­steckung; zu solcher Zeit tragen ihrer fast viele Leute im Munde. Als die letzte große Viehseuche gewesen, kamen Vögel von seltsamem Aus­sehen und sangen hier und dort:

Ihr Leut, ihr Leut, brockts Bibernell,

Der Schelm, der Kunter fährt gar schnell!

Die Wurzeln gebts dem Vieh nur ein,

Mitm Schelmen wirds dann fertig sein.

In Ostpreußen heißt es:Es war mal im Lande eine große Vieh­seuche; wo man hinsah, fiel das Vieheben; und kein Mensch wußt sich zu rathen und zu helfen: es mußt ihm Alles drauf gehn. Da kam aus der Luft eine Stimme, die rief immerzu:

Nehmt Bibernell und Armetill,

Wer sein Viehchen retten will!

Das befolgten die Menschen, und das Leiden war gehoben. 3 )

In Ellwangen (Schwaben) kam zur Pestzeit ein Vögelchen, mit einem Würzelchen vonHeidenkraut im Schnabel. Laut vernehmlich rief es:

Esset Knob un Bibenelle,

Na werdet ihr nitt sterbe alle.*)

A. Schöppner nennt diesen sagenhaften Vogel denPestvogel und erzählt, er habe sich zur Pestzeit einmal im Maingrunde gezeigt, auf dem Giebel eines Hauses sitzend. Sein Aussehen wäre seltsam gewesen; der Leib weiß, Schnabel und Füße schwarz. So habe ihn der letzte Mann gesehen, der durch die stillen, mit hohem Gras bewachsenen

') Panzer, Bd. II. 8. 1Ö3.

2 ) Karl Frhr. von Leoprechting, Aus dem Lechrein. (München, Litt.-Art. Anstalt, 1855.) 8. 101.

a ) E. Lemke, Volkstümliches in Ostpreußen. (Harich, Mohrungen O./Pr. 1887.) Bd. II S. 25.

*) A. Birlinger, Volkstümliches aus Schwaben; A. Bi rlin ge r und M. R. Buck, Sagen, Märchen und Aberglauben. (Herder, Freiburg i. Breisgau, 1881.) 8. 240 f.