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Elisabeth Lemke.
derten also aus. Aber als sie sich über den Main führen ließen, gaben sie zum Abschied den Menschen den guten Rat:
„Eßt Steinobst und Bimellen,
So wird euch nicht das Herz geschweilen.“’)
Neben die wilden Männlein und Weiblein, Holzfräulein, Nörkelen und Querkelen stellt die Sagenbildung Vögel, Stimmen aus der Luft, Engel u. a. m.
Karl Frhr. von Leoprechting schreibt in seinem Buche „Aus dem Lechrein“: 2 ) „Der Bibernell darf ich sonderlich nit vergessen, ihr Lob singen sogar die Vögelein. Sie sichert vor Seuchen und deren Ansteckung; zu solcher Zeit tragen ihrer fast viele Leute im Munde. Als die letzte große Viehseuche gewesen, kamen Vögel von seltsamem Aussehen und sangen hier und dort:
„Ihr Leut’, ihr Leut’, brockt’s Bibernell,
Der Schelm, der Kunter fährt gar schnell!
Die Wurzeln gebt’s dem Vieh nur ein,
Mit’m Schelmen wird’s dann fertig sein.“
In Ostpreußen heißt es: „Es war mal im Lande eine große Viehseuche; wo man hinsah, fiel das Vieheben; und kein Mensch wußt’ sich zu rathen und zu helfen: es mußt ihm Alles d’rauf geh’n. Da kam aus der Luft eine Stimme, die rief immerzu:
„Nehmt Bibernell und Armetill,
Wer sein Viehchen retten will!“
Das befolgten die Menschen, und das Leiden war gehoben.“ 3 )
In Ellwangen (Schwaben) kam zur Pestzeit ein Vögelchen, mit einem Würzelchen von „Heidenkraut“ im Schnabel. Laut vernehmlich rief es:
„Esset Knob un Bibenelle, ‘
Na werdet ihr nitt sterbe alle.“*)
A. Schöppner nennt diesen sagenhaften Vogel den „Pestvogel“ und erzählt, er habe sich zur Pestzeit einmal im Maingrunde gezeigt, auf dem Giebel eines Hauses sitzend. Sein Aussehen wäre seltsam gewesen; der Leib weiß, Schnabel und Füße schwarz. So habe ihn der letzte Mann gesehen, der durch die stillen, mit hohem Gras bewachsenen
') Panzer, Bd. II. 8. 1Ö3.
2 ) Karl Frhr. von Leoprechting, Aus dem Lechrein. (München, Litt.-Art. Anstalt, 1855.) 8. 101.
a ) E. Lemke, Volkstümliches in Ostpreußen. (Harich, Mohrungen O./Pr. 1887.) Bd. II S. 25.
*) A. Birlinger, Volkstümliches aus Schwaben; A. Bi rlin ge r und M. R. Buck, Sagen, Märchen und Aberglauben. (Herder, Freiburg i. Breisgau, 1881.) 8. 240 f.