Die Pimpinelle in der Volkskunde.
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Einer der Herren Apotheker, die ich anfragte, schrieb mir, daß die Pimpinellen-Tropfen gut gegen Ilalsleiden und Heiserkeit seien: mit warmem Wasser zum Gurgeln oder auf Zucker eingenommen. Das Volk stelle auch wol selber noch hier und da einen Wurzel-Aufguß her. — Auch sonst hörte ich wiederholt, daß Pimpinellentropfen kein übles Mittel bei Halsleiden sei. So ging ich denn in die Augusta-Apotheke, um ein Fläschchen dieser Tropfen zu holen; nicht aus Neugier oder um es Ihnen heute zur Prüfung anzubieten, sondern allein deshalb, weil mir so viele andere, viel teurere Mittel nicht geholfen hatten. Ich kann nun nicht behaupten, daß der Geschmack ein lieblicher sei; er ist aber zu ertragen und schließlich beinahe angenehm. Und die Tropfen halfen wirklich. Ich kann sie also gegen Husten und Heiserkeit empfehlen.
Es ist schrecklich zu sagen, aber ich habe einen Gewährsmann: Herr Rektor Monke schrieb mir, daß zu einer Pestzeit in Schlesien ein Vogel das Trinken von Bibernellenschnaps empfohlen habe; 1 ) und noch heute sei dort (bei Strehlau) ein Sprüchlein in böhmischer Mundart bekannt, das darauf Bezug hat. Hauptsächlich in Böhmen wurde viel Pimpinellen- oder Bibernellsclmaps hergestellt und getrunken. Er schmecke „sehr eklig“ und käme „gleich nach Petroleum.“ — Bei Strehlau wurde auch Anisschnaps gewonnen. (Über den Anis will ich nichts weiter sagen. Er wird vielleicht einmal von Andern gefeiert werden.) Herr Monke gesteht, daß ihm trotz des unangenehmen Geschmacks der Bibernellsclmaps auf der Wanderung nach Reinerz, Cudowa, Nachod, Kö- niggrätz usw. einen guten Dienst geleistet habe. Dort heißt es:
„Trink’ [ach nein, man drückt sich anders aus] fleißig Pimperneile, Dann sterbste nich so schnelle.“
Das hat jener Hexenmeister nicht gewußt, der s. Z. in Fulda verbrannt wurde. Wehklagend rief er:
„Hätt’ ich Aron und Biberneil gekannt,
So wiird’ ich nicht verbrannt.“' 2 )
4 Demnach wäre dem Pflänzchen Pimpinella richtige Zauberkraft eigen 4 gewesen. Vielleicht hat auch der alte Colerus so gedacht, als er zum ^ Fangen von „Föhren“ einen Querder (Köder) empfahl, zu dem u. a. \ Bibenel (gemischt mit Maria Magdalena-Blumen und Branntwein) gehörte- Noch in diesen Tagen hörte ich, daß die Pimpinelle wirklich zaubern könne. Im Anschluß an meinen vorjährigen Vortrag „Die rote Farbe“ schrieb Herr Architekt Karl Wilke (hier) an mich, mir u. a. einen Bericht über ein „Alrunekin“ (Alräunchen) sendend, das nicht — wie seit dem klassischen Altertum üblich — dem puppenbalgähnlichen, fleischigen Wurzelstock der Mandragora officinalis L., sondern einer
*) „Volkssage aus Strehlau (südl. von Breslau) ums Jahr 1865.“
2 ) Colerus, Oeconomia Ruralis et Domestica. (1645.)