58 17. (12. außerordentliche) Versammlung des XVII. Vereinsjahres.
hat die deutsche Sprache das Litauische völlig verdrängt; doch wird auf den Dörfern in der Nähe von Tilsit, Stallupönen und Ragnit noch litauisch gesprochen. Wie die Sprache starben auch die \olkstrachten aus; nur der weibliche Teil der Bevölkerung hält hier, wie fast überall, am zähesten daran fest; denn die Volkstrachten sind meistens sehr kleidsam. Die Frauentrachten erscheinen, der ei’nst-religiösen Denkungsart der Bevölkerung entsprechend, in den Farben stark herabgestimmt: das einfache dunkle oder weiße Gewand herrscht vor. Die litauische Sprache, die zum indogermanischen Sprachstamme als selbständiges Idiom gehört, ist als Schriftsprache verhältnismäßig jung, daher fehlt eine reiche Literatur; doch besitzt das Volk zahlreiche Volkslieder (Dainos) von großer Innigkeit, die unter anderen von Herder, Mielcke Baczko und Rhesa (Königsberg 1825) gesammelt worden sind.
In der Vorgeschichte des litauischen Landes ist die ältere Steinzeit durch Funde wenig, die jüngere (bis 2000 v. Chr.) reichlicher, besonders durch bearbeiteten Bernstein vertreten, obwohl sogar noch Tacitus (Germania 45) bemerkt, die Barbaren am suevischen Meere wüßten mit dem Bernsteine nichts anzufangen. „Er wird roh gesammelt, unverarbeitet ausgeführt und voller Verwunderung empfangen sie von uns den Preis dafür.“ Die Bronzezeit (2000—500 vor. Chr.) zeigt nichts Eigenartiges; in der Eisenzeit macht sich seit dem 1. Jahrhundert n. Chr, ein auffälliger Wechsel in der Bestattungsart bemerkbar. Zahlreiche Gräberfunde sind gemacht worden; die metallischen Beigaben zeigen römischen Einfluß; die römischen Münzen, die man gegen Bernstein eintauschte, dienten als Schmuck: sie sind gewöhnlich durchbohrt. Vom 7. bis zum 10. Jahrhundert treten Skelettgräber außerordentlich häufig auf. Die Beigaben, Waffen und Pferdegeschirrteile, deuten auf eine kriegerische Bevölkerung hin. Die Geschichte des Volkes ist bis zum 13. Jahrhundert ziemlich schleierhaft, nur gelegentlich bringen fremde Schriftsteller in einzelnen Bemerkungen darüber, so zuerst Tacitus (Germania), der von einem „Aestischen Volke“ spricht, dessen Sitte und Tracht suevisch seien, weshalb die Litauer sich zu den germanischen Stämmen rechnen. Eigenartig bei_den Litauern ist, wie Virchow bemerkt hat, ein gelblicher Schein der sonst blauen Regenbogenhaut des Auges, die zuweilen auch einen grünlichen Schimmer zeigt. Bis zum Eintritt in die Geschichte am Anfänge des 13. Jahrhunderts lebten die Litauer in einzelnen Stämmen mit losem Staatsverbande. Die Kämpfe um die Unabhängigkeit gegen Russen und Mongolen etwaTvon 1217—38 führten zur Gründung eines Großfürstentums Litauen^ unter Ringwold, dessen Sohn Mindowe 1253 das Christentum annahm, bald darauf aber zum Heidentum zurückkehrte. Die Zeit, in der die westeuropäischen Staatengebilde, die habsburgische Hausmacht und das^ Reich Karls IV. zielbewußt emporstrebten und Frankreich und England um die Oberherrschaft stritten, war auch für