Heft 
(1910) 18
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18. (8. ordentliche). Versammlung des XVII. Vereinsjahres.

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hiesigen Verlagsfinna Hans Müncheberg, ursprünglich erschienen bei Oeinnigke junior in Berlin 1808.

XX. Schiedlo. Die Geschichte eines untergehenden deut­schen Dorfes von Otto Eduard Schmidt. Verlag von Fr. Willi- Grunow, Leipzig 1908.

Unsere beiden Ehrenmitglieder die Herren Oberpräsident zu Trott und Solz sowie Professor Dr. Jentsch haben uns gütigst obige Schrift überreicht, die man mit Interesse, aber sicherlich auch nicht ohne eine Anwandlung von Mitleid liest, sich erinnernd, daß noch im letzten Winter durch die Zeitung die Kunde von einem neuen ver­heerenden Einbruch der Oder in das schwer bedrängte Dorf gegenüber der Einmündung der Neiße ging, wobei Menschen und Haustiere in größte Bedrängnis gerieten. Verfasser, Rektor des Gymnasiums zu Wurzen, der bereits im 2. Bande seinerKursächsischen Streifzüge (1904, gleicher Verlag) sich mit Schiedlo beschäftigte, hat hier das Bild insbesondere durch die Akten des Kgl. Sächsischen Hauptstaatsarchivs erweitert und geschickt abgerundet.

Es ist nicht die Art der preußischen Könige, so beginnt Verfasser, irgend eine Kulturstätte ihres Gebiets wieder eingehn und verschwinden zu lassen. Wer die Geschichte der innern Kolonisation des preußischen Staats kennt, der weiß, wie nicht nur der patriarchalisch-gutsherrlich waltende Friedrich Wilhelm I., sondern auch der in die schwierigsten Welthandel verstrickte Friedrich der Große eine echte Heimatspolitik betrieb, die auf diePeuplierung des entlegensten Winkels bedacht war und ein einfaches Dorf als einen wertvollen, anvertrauten Besitz achtete. Eine noch eingehendere und vielseitigere Fürsorge widmet die heutige preußische Verwaltung jedem lebensfähigen Organismus ihres Gebiets.

Und doch sieht diese Verwaltung nicht nur zu, wie mit dem 1. Oktober 1908 eins der ihr unterstellten Dörfer, ohne daß es irgend eine Großstadt in sich aufsangt, verschwindet, sondern sie selbst hat den Beschluß dazu gefaßt. Unter solchen Umständen wendet sich der Scholle, auf der sich etwas so Seltenes und Auffallendes zuträgt, ohnehin die menschliche Teilnahme zu; sie wächst noch, wenn diese Scholle zugleich die Trägerin einer langen und interessanten Geschichte ist.

Schiedlo liegt am rechten Oderufer halbwegs zwischen Krossen und Frankfurt, da, wo der Strom nach langer Westrichtung wieder gen Norden umzubiegen beginnt; der Dorfstätte gerade gegenüber mündet die von Guben abwärts schiffbare Neiße. Schiedlo liegt fast auf drei Seiten von der Oder umflossen dicht am Wasser und so sehr im Kies­geschiebe des Stroms, daß es selbst durch Deichbauten gegen Hoch­wasser nur ungenügend geschützt werden konnte. Nur eine Stelle ragte alsdann noch hervor, wo früher das Schloß, jetzt die Kirche steht.

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