18. (6. ordentliche) Versammlung des XVII. Vereinsjahres.
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legitime König von Frankreich, sie an der Festtafel des Königsschlosses zu Versailles wiederzusehen. Viele glaubten an ihn und freuten sich der Stunde, wo sie, die Spandauer Bürger, dem ehemaligen Spandauer Mitbürger das „Vive le roi!“ zujubeln würden. Der Glaube an diesen „Ludwig XVII.“ ist übrigens noch heute nicht ganz aus unsrer Stadt entschwunden!
Nächst den bezüglichen „Akten des Magistrats inSpandow“, die dem Vortragenden Vorlagen, sind die einsehläglichen Mitteilungen aus den Kirchenbüchern von St. Nikolai von besonderm Interesse. Im Jahre 1818 den 15. September, vormittags 9 Uhr, verstarb hier die erste Frau (?) Nauendorft’s Hanne (Christine oder Johanne), geborene Hassert, 45 Jahre alt, „an Geschwulst“; sie wurde auf dem „neuen Kirchhof“ (dem Nikolai-Friedhof vor dem „Oranienburger Tor“) am 18. September als „exemirte Leiche“ begraben. Als Hinterbliebene werden verzeichnet der Witwer, der bei seiner Übersiedelung nach Spandau die Hanne Hassert bereits mit sich führte, und ein Sohn, Johann Christian Hassert, angeblich der Sohn eines früheren Soldaten, der in erster Ehe mit der Verstorbenen verbunden gewesen sein sollte. Es ist kaum glaublich, wie viele Nachforschungen und Anfragen bei Stadt und Kirche seitens der französischen Royalisten (Adel und Priesterschaft) diese mysteriöse Hanne Hassert verursacht hat War sie, die um etliche Jahre ältere, wirklich Ludwigs XVII. Ehefrau? Woher stammt sie? Was weiß man von ihrer Vergangenheit? Ist etwa der Sohn, Johann Christian Hassert, der wirkliche Thronerbe (Dauphin) von Frankreich? Und nun gar das Begräbnis der „exemirten Leiche“! Man las und verstand das „exemirt“ (auf besonderer, (eximierter Stelle begraben) als „exhnmö“ = ausgegraben. Warum hat man die Leiche (le corps) ausgegraben und wo hat man sie wieder — vielleicht in weiter verborgener Ferne — „inhume“, eingegraben? Haben etwa Nauendorff oder andre Mithelfer die arme Hanne Hassert ermordet, vergiftet, aus dem Wege geräumt? Und weshalb? Aus politischen oder anderweitigen Beweggründen? Die letzten Antwortschreiben des Vortragenden und des Herrn Stadtrats Stritte auf diese ganz törichten und verworrenen Anfragen datieren vom 22. bezw. 23. Oktober dieses Jahres! — Eine weitere „bedeutsame“ Eintragung des Kirchenbuchs betrifft die zweite (?) Ehe Nauendorffs; sie erfolgte knapp zwei Monate nach dem Tode der armen Hanne Hassert am 19. November 1818, und zwar mit Jungfrau Johanne Friederike Einert, einzigen nachgelassenen Tochter des zu Havelberg (der französische Abbe Bl. hält „Havelberg“ für einen Familiennamen!) verstorbenen Bürgers und Pfeifenmachenneisters Herrn Carl Friedrich Einert und der Marie Luise Stendel. Die Trauung vollzog der auch sonst von Nauendorff gewählte Prediger an St. Nikolai Stechow „im Hause“. Die Franzosen nennen ihn — wiederum irrtüm-