18. (6. ordentliche) Versammlung des XVII. Vereinsjahres.
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beiden Spandauer Lehrer-Brüder Preiß, gestorben 1846. CarlEduardNauen- dorff setzte, obwohl von einer „unebenbürtigen“ Mutter geboren, nach dem Tode seines Vaters (1845) das väterliche Prätendententum fort. Von seinem Prozeß in dieser Sache 1873 74 wurde viel gesprochen. Er starb als „Herzog der Normandie“ 1883 in Breda (Holland). Sein Sohn, Kapitän Charles Louis de Bourbon, wie der Vater Offizier in holländischen Diensten, lebt zurzeit in Middelburg (Holland) —: der kommende König von Frankreich, Ludwig XIX!
Die spätem Schicksale des Spandauer Uhrmachers stehen mit unsrer wesentlich ortsgeschichtlichen Darlegung in sehr losem Zusammenhang. Sie seien deshalb in gedrängter Kürze zusammengefaßt. Am 5. Februar 1822 stellt der Spandauer Magistrat dem hiesigen Bürgerund Uhrmacher Nauendorf!:' das Zeugnis „eines ebenso redlichen Mannes als geschickten Uhrmachers“ aus. Mit diesem Zeugnis ausgerüstet zieht Nauendorff gen Brandenburg. Dort wird er zuerst wegen Brandstiftung, dann wegen Falschmünzerei zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. In den dreißiger Jahren taucht der „deutsche“ neben vielen andern französischen Prätendenten als „Ludwig XVII.“ in Frankreich auf: Er wird wegen seiner „mehr lächerlichen als gefährlichen Prätensionen“ des Landes verwiesen. In England wird er Oberhaupt einer neuen schwärmerischen Sekte, sich seines Umgangs mit den himmlischen Geistern rühmend. Das Ende seiner Irrfahrten ist Holland, wo man ihn, den Prinzen — „le Prince“ — anerkannte. Er stirbt am 10. August 1845 in Delft unweit Rotterdam. Auf seinem Grabstein steht: „Ludwig XVII. König von Frankreich und Navarra, Herzog der Normandie“, Sechzig Jahre nachher findet sich im Archiv des Enkels ein französischer Brief Nauendorffs an seine alten Spandauer Mitbürger aus dem Jahre 1836 oder 1837, worin er seine Freude ausspricht, „daß das Andenken des alten Uhrmachers in Eurer Stadt nicht ganz in den Herzen der ehrlichen Einwohner dieser Stadt erloschen ist“.
Im Jahre 1793 den 21. Januar fiel das Haupt Ludwigs XVI. der französischen Revolution zum Opfer, am 16. Oktober desselben Jahres folgte ihm in gleichen Tode die unglückliche Königin Marie Antoinette. Der Dauphin und Herzog von der Normandie Ludwig XVII. wurde ins Gefängnis, den festen Turm des Temple, geworfen. Dort quälte ihn der rohe Jakobiner, der Schuster Simon, zu Tode. Er starb zehnjährig am 8. Juni 1795. Seine Gebeine, später gesucht, wurden nicht gefunden. Seitdem durchirrt der unglückliche Prinz in der Gestalt abenteuerlicher Kronprätendenten, nicht zuletzt in der des Spandauer Bürgers und Uhrmachers Carl Wilhelm Nauendorff, die Geschichte. Der Streit, „La QuestionLouisX VII.“,über die „Rehabilitation“ des „roi legitime Louis XVII.“ geht, namentlich in Frankreich und Deutschland, fort. Die Streitschriften für und wider, die Urkunden und Akten füllen Bände. Eine ganze