2. (2. außerordentliche) Versammlung des XVIII. Vereinsjahres.
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Dem verteilten gedruckten Führer entnehmen wir noch folgende Angaben.
Das Haus dient in seinen vier Stockwerken vielerlei Zwecken. Vor allem bietet es eine Schlaf- und Wohnstätte für ungefähr 100 Arbeiterinnen. Jedes Stockwerk hat seine eigene Farbe, seine besondere Stimmung. Alles Anstaltsmäßige, jeglicher Anstaltszwang wurden vermieden. Die Bewohnerinnen jeder Etage bilden eine kleine Familie für sich, an deren Spitze die Etagenleiterin steht, welche mütterlich für das Wohl der Mädchen sorgt. Am Abend empfängt sie die Heimkehrenden im allgemeinen Wohnzimmer des Stockwerkes, das dui’ch seine holländischen Fensterscheiben freundliches Licht bis auf die Treppe ausstrahlt. Mit warmer Liebe, mit hellem Licht werden so die Kommenden begrüßt. Das behagliche Wohnzimmer lockt sehr, bei Spiel oder bei Arbeit gesellig zu verweilen, dennoch ziehen viele es vor, allein im eigenen Zimmer, befreit von der Tagesarbeit, von dem Massengetriebe der Großstadt, auszuruhen. Die vielen Einzelzimmer des Heimes liegen zu beiden Seiten der Korridore, nur wenige Räume, diese mit Balkons, sind zu 2 und 3 Betten eingerichtet. Eine eigene kleine Stube mit liebevoller Sorgfalt ansgeschmückt, ist der Stolz und die Freude seiner Bewohnerin. Die Arbeiterin, die sonst nur auf eine Schlafstelle angewiesen ist, die nichts ihr eigen nennen darf, weiß wohl den Besitz eines solch kleinen Reiches, eines guten Bettes, Schrankes, einer Truhe eines Waschständers, Tisches und Stuhles zu schätzen. Hier fühlt sie sich erst wahrhaftig als Mensch, und manch guter Vorsatz wird in der Stille gefaßt. Viel Licht außen und innen verbreiten so die sonnigen Stübchen.
Für Ordnung und Reinlichkeit auf ihrer Etage zu sorgen, betrachten die meisten Bewohnerinnen als Ehrensache; sie übernehmen ehrenamtlich manche Arbeit und erziehen sich durch selbständiges Wirtschaften zu tüchtigen, künftigen Hausfrauen; sie wischen und waschen, putzen und kochen im Heim. Auf jeder Etage befindet sich eine kleine Küche mit Abwasch, warm Wasser,' Bädern usw.
Alle Räume des Heimes, welche nicht von den Arbeiterinnen iu Ordnung gehalten werden, reinigen die Haushaltungsschülerinnen des Vereins. Junge 14—16jährige Mädchen des Arbeiterstandes werden in der Koch- und Haushaltungsschule zur Wirtschaftlichkeit erzogen. Das Heim bietet für die lernenden Mädchen ein weites Arbeitsfeld. Es sind Mustereinrichtungen in Küche uud Keller für diese Lehrzwecke geschaffen worden. Wie ein fleißiger Bienenschwarm summend, emsig tätig schaffen vom frühen Morgen an die mit weißen Häubchen und großen Schürzen gekleideten Schülerinnen im Heim. Sie bereiten auch den großen Mittagslisch für die Arbeiterinnen. Im geräumigen schönen Speisesaal, der wie alle dem öffentlichen Verkehr dienenden Räume im
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