(i. (6. außerordentliche) Versammlung des XVIII. Vereinsjahres.
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den Gastliof zum Preußischen Adler von Thie, wo nach kurzer B e g r üß un g durch den ersten Vorsitzenden Herrn Geheimrat Friedei Herr Oberlehrer Prof. Dr. Tschirch das Wort zu folgendem Vortrag ergriff:
Wenn auch dem Kloster Lehnin der romantische Zug der Ruinen von Chorin fehlt, wenn seine Bauten sich mit den vollendeten Formen der Choriuer nicht messen können, so hat doch Lehnin, dessen Geschichte mit derjenigen der Mark in so inniger und dauernder Beziehung steht, trotz seines ausgesprochen nüchternen Zuges der wissenschaftlichen Forschung mehr Anregung gegeben als Chorin, das nur auf kurze Zeit die Begräbnisstätte der Jolianneischen Askanier war, während hier 11 Askanier und 3 Hohenzollern bestattet wurden.
Versetzen wir uns *U Jahrtausend zurück, so zeigt sich uns das Gebiet der heutigen Stadt Lehnin als eine undurchdringliche Sumpfwildnis ohne Pfad und Steg. In dem Dickicht der Eichen, Rüstern und Buchen finden sich wilde Katzen, Bär und Elen. Der Gründungssage zufolge entschlummert einst Otto I., Albrechts des Bären Sohn, unter einer Eiche. Im Traum sieht er eine Hirschkuh, die ihn anfällt und die er dann erlegt. Die Hirschkuh galt damals als Sinnbild dämonischer, teuflischer Mächte und seine Mannen rieten ihm daher, an dieser Stätte eine Burg gegen die Heiden zu gründen; Otto rief jedoch aus: „Eine Burg will ich bauen, aber eine Burg der heiligen Männer, zu Ehren der Maria! Eine Burg, in der ich den jüngsten Tag erwarten will!“ Und in der Tat erhielt auch Lelinin mehr als andere Klöster ein burgähnliches Aussehen, eine doppelte Mauer und ein befestigtes Tor, vor welchem sich noch ein viereckiger Turm, der „Kuhbier“ erhalten hat. Otto berief 12 Cisterziensermönclie aus dein Kloster Sittichenbach im Mansfeldischen und 12 Laienbrüder, ernste, gottbegeisterte Männer, die der Regel ihres Ordens gemäß in dieser abgelegenen sumpfigen Gegend zunächst ein Bethaus und ein Gast- oder Wohnhaus erbauten. Als ältestes Erinnerungsstück besitzt die durch Meister Konrad, den ersten märkischen Baumeister, 1262 vollendete neue Klosterkirche den vor dem Hochalter (2. Stufe) eingeniauerten Stumpf der Eiche, in deren Schatten Markgraf Otto einst ruhte. Die in das Wendenland gekommenen Cisterziensermönche nahmen nun den Kampf init der wilden Natur und mit dem Heidentum auf und folgten mit besonderer Strenge der Benediktinerregel, welche die Abtötung des Fleisches forderte, die sie durch rastlose Hand- und Geistesarbeit zu erreichen suchten. Welchen Gefahren sie anfangs ausgesetzt waren, zeigt die Ermordung ihres ersten Abtes Siebold, wodurch die Brüder zu dem Entschluß auszuwandern gedrängt wurden. Da erschien den abziehenden Mönchen die heilige Jungfrau und rief ihnen zu: „Kehret wieder, nichts soll euch mangeln!“ Strenge Entsagung führten die Zurückgekehrten nun nicht nur hinsichtlich ihrer Kleidung und Nahrung