12. (3. ordentliche) Versammlung des XVIII. Vereinsjahres.
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(ritt, einen keineswegs freundlichen Blick zu. Das soll und will er auch nicht; Neid bedeutet im Mittelhochdeutschen soviel als Trotz oder Trutz, daher der Vor- und Zuname häutige Name Neidhart oder Hartneid d. i. der sehr Trutzige, Kampfbereite. Der Neidkopf bedeutet also soviel wie Trotzkopf, Trutzkopf.
Der Lehniner Neidkopf ist ein rohes, aber kräftiges Produkt sicherlich eines lokalen Künstlers. Das Gesicht hat eine stumpfe Nase, kleine mehr geschlitzte Augen, große Ohren, wulstige Lippen und einen strubbelig-gesträhnten Schnurr- und Vollbart. Der Neidkopf scheint in einer Kutte zu stecken, welche in ein Büstenpostament übergeht, das unten drei charakteristisch stilisierte Blätter als Ornament zeigt. Der Stil zeigt den Übergang von dem Romanischen zur Gothik, 12. oder 13. Jahrhundert.
Es ist sehr charakteristisch, nach meiner Meinung, und wirft Licht auf den selbst in geistlichen Kreisen verbreiteten Volksglauben, daß man liier keinen Schutzheiligen zur Abwehr verwendete, sondern den eigentlich der germanischen Ileidenzeit seinen Urspi’ung verdankenden altdeutschen Neidkopf.
Unser allzeit willfähriges Mitglied Herr Zahnarzt Karl Reichhelm- Treuenbrietzen hat die photographische Aufnahme des Neidkopfes unter schwierigen örtlichen Verhältnissen geschickt besorgt und meine Tochter Gesa Friedei die Federzeichnung, welche zur Reproduktion geeigneter erschien.
XXVJII. Das älteste Wappen von Rathenow, aufgefunden unlängst im Archiv zu Zerbst in Anhalt, hatte eine Besprechung erhalten in dem der Brandenburgia von mir am 20. Januar d. J. unter XXI vorgelegten gedruckten Verwaltungsbericht der Stadt Rathenow für 1905/08, welchen mir der dortige Erste Bügermeister Herr Lindner gütigst mitgeteilt. Es handelt sich um zwei Siegelabdrücke, der eine 85 mm, der andere 75 mm im Durchmesser, auf jenem der Kopf der Figur ein wenig nach links, auf diesem mehr geradeaus gewendet, während sonst nahezu völlige Übereinstimmung der Zeichnung herrscht. Die betretlenden Urkunden stammen von 1349 und 1350; es ist auffallend, daß man damals zwei verschiedene Siegelstempel bediente.
Es ist in jenem Verwaltungsbericht die Vermutung ausgesprochen, daß die Figur auf beiden Siegelabdrücken, welche über dem Wappen einem befestigten betürmten Stadttor steht, ein Roland wäre, aus dem im Laufe der Jahrhunderte, vielleicht aus Mißverstand, die geflügelte Engelsfigur entstanden sei, welche sich jetzt über dem Wappen befindet.
Da alle neuen Nachrichten über Rolande für unsere Heimatforschung vom größten Interesse sind, so hatte ich Herrn Stadfaichivar Specht (siehe Nr. XXIII dieses Protokolls) gebeten, uns gütigst eine Photographie dieser Siegel zu verschaffen. Herr Bürgermeister Lindner hat