Heft 
(1910) 18
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Pr. Grabow.

wie tr in wer auch für schwer gelten zu lassen unter dem Vorgehen, die Aussprache mit beiden Lippen sei zumeist in Mitteldeutschland üblich. Hierin müssen sich die Herren Sachverständigen gründlich geirrt haben, denn bisher ist mein Ohr von keinem Deutschen, er mag aus Mittel­deutschland, aus Nord oder Süd, Ost oder West stammen, bei der Aussprache vonQual, schwarz, zwei mit der labiodentalen Aussprache des w gemartert worden, und ich habe auf einer langen Reise im Friih- jahs d. Js. viele recht gut deutsch sprechende Deutsche gefunden, die diese Wörter, welche nach Siebs mit gleichem m wie in wer gesprochen werden sollen, mit bilabialem >r sprachen und die Forderung der Sachverständigen für unberechtigt, ja für unglaubhaft hielten. Wir Märker und Berliner sprechen zweierlei »r-Laute, und wir tun recht daran. Das können wir auch aus dem Berliner Adreßbuch lernen. Der gutdeutsclie Name Markwart (d. h. der Mark [Grenze] Wart [Hüter]) wird nur noch von 52 Personen mit km geschrieben; aber mehr als 520 schreiben ihn mit qu; die Aussprache muß doch also wohl verschieden sein und nicht gleich, wie dieSachverständigen behaupten. Sie sehen also, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß die Sachverständigen einen Fehler gemacht haben und daß die Schauspieler, wenn sie sich nach deren Vorschrift richteten, unrichtig sprechen würden. Sie richten sich aber nicht danach, wie ich bisher zu beobachten Gelegenheit hatte, und es ist gut, daß sie es nicht tun. Die Herren Sachverständigen scheinen von der Voraussetzung ausgegangen zu sein, daß sie für das, was sie durch Beschlüsse als richtige deutsche Aussprache festgestellt haben, keine Gründe anznführen brauchten; daß ihre Autorität allein genüge. Und ich habe soeben gezeigt und werde es im weiteren Verlauf meines Vortrages beweisen, daß sie nicht genügt. Wenn Sie aber, verehrte xVnwesende, fragen, welche Gründe ich denn für meine Behauptungen anführen könne, so werden Sie bald sehen, daß sie von vielerlei Art sind. Da ist es z. B. die Einwohnerzahl der Provinzen, und das Vor­herrschen oder Nichtvorkommen einer Besonderheit der Aussprache, wenn es sich um die Aussprache der Mehrheit handelt Da sind es Eigenheiten der Wortbildung, der Rechtschreibung, der Reime der Dichter, endlich, und darauf lege ich besonderes Gewicht, die Rechtschreibung der Eigennamen, denn diese hat sich in viel höherem Grade selbständig nach der Aussprache ihrer Träger gehalten, wie die vielen dialektischen Formen ihrer ober- und niederdeutschen Namen (z. B. die Namen Plum, Pluineier, Plumhoff für Blum, Blumeier nsw., dann Ekblatt, Ekenhof, Ekenstern für Eichblatt usw.) beweisen, während gleichlautende Wörter der Umgangs­sprache vielmehr durch deren Rechtschreibung beeinflußt worden sind. Ich werde daher das Berliner Adreßbuch, in welchem viele Hundert­tausende von Deutschen aus Nord und Süd, aus Ost und West ihre Karten abgegeben haben, als Belege für die richtige Aussprache benutzen.