Die ilialcktfri-ie Aussprache des Hochdeutschen in der Mark Brandenburg. 427
gebräuchliche. Dort spricht man auch fertik, nicht fertich, wie man im Nord- und Mitteldeutschland allgemein spricht und mit Bewilligung der Hochberg’schen Sachverständigen auch sagen darf, obwohl diese Gelehrten aus dieser Tatsache nicht die Folgerung gezogen haben, daß man auch fertije mit Jot-laut als Erweichung des Ichlautes sprechen nicht nur darf, sondern sogar sprechen muß, wenn man von dreieck’jen Hüten, rot- bäck’jen Kindern, zack’jem Bruch u. dergl. etwas zu sagen hat. Wer unbefangen spricht, gibt dem geschriebenen oder-gedrucktem g in diesem Falle in ganz Nord- und Mitteldeutschland den Jot-laut und überläßt es den süddeutschen Brüdern, sich an dem zackten oder zackigen Bruch die Sprech- und Atmungsorgane zu gefährden. Die meisten Schauspieler sprechen in diesem Falle trotz Ilochberg und Siebs auch wie die meisten Deutschen den Jot-Laut. Daß die Aussprache des ng wie ngk mit dem Niederdeutschen zusammen hängt, kann man daran ersehen, daß Lauren- berg, der seine Scherzgedichte in der Zeit des dreißigjährigen Krieges schrieb, diese Endung am Wortende mit ck schrieb, z. B.:
Wat dar was ein nie Gesanck I)at iß nu de olde Klanck.
Ebenso reimt er: einen sprunck — wedder junck.
du lichtferdige flinck — sülck ein dinck. usw.
Und Keuter reimt: krank — entlang; krank — mang; Gedank’ — vel tau lang; Klink’ — Ding; Hank — Äwergang.
Ebenso reimen neuere hochdeutsche Dichter Fr. von Spee: Die Zweiglein schwank — zum Yogelsang. Matth. Claudius: Müßiggang — Ruhebank. Lessing: Ding — flink. Des Knaben Wunderhorn: leichte Wink — Ilochzeitsi'ing; ihr Hals ist lang — ihr Gesang; Gedank’ — Zeit und Weil wird ihm lang; neun Tage lang — nahm ihren Gang.
Die Reime sind deshalb bemerkenswert, weil in den betr. Sätzen das Wort lang nicht durch ein folgendes e verlängert werden kann. Die beiden Wörter lange und lang werden, so verschieden sie auch lauten mögen, doch meist gleich geschrieben. Man schreibt- „er ist lang geblieben“. Hier müßte hinter ng ein Apostroph stehen; man läßt es aber weg, weil man die Wörter strenge, bange, enge, geringe, auch wenn man das e am Ende wegläßt, immer ohne Apostroph schreibt. Der Aussprache nach sind lange und lang sehr verschieden, ich kann sagen: er irrte lange umher, aber nicht: er irrte stundenlange umher. Wir haben nämlich, was viele, die über Aussprache geschrieben, nicht berücksichtigt haben und was viele, die deutsche Unterrichtsstunden geben, nicht wissen, von dem Eigenschaftswort lang in gutem Neuhochdeutsch zwei Umstandswörter, 1. lange oder lang’, ahd. lango, und 2., lang in jahrelang, meilenlang, nächtelang usw., ahd. lanc, das aus dem Acc. des Sing, des Neutrums gebildet ist. Man sieht hieraus, wie der