Heft 
(1907) 16
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16. (7. ordentliche) Versammlung des XV. Vereinsjahres.

bezeichnet*). Es handelt sich anscheinend um kriegerische Vorbereitungen, um einen Angriff von außen, um einen Handstreich und Überfall. Hier­nach irrt sich die Direktion des Kupferstichkabinets zweifellos, wenn sie das stimmungsvoll ansprechende Aquarell in das Jahr 1810 versetzt. Ich besichtigte das Bild mit u. M. Herrn Major a. D. Noöl, einem er­fahrenen Kriegsgeschichtsforscher; wir sind der Meinuug, das es sich um das winterliche Frühjahr 1813 handelt. Am 20. Februar 1813 waren russische Truppen durch das Neue Königstor bis zum Alexander Platz vorgedrungen. Die Spenersche Zeitung vom 11. März 1813 berichtet hierüber.

Einzelne Kosaken jagten ganze Haufen Infanterie und auf dem Schloßplatze sprengte ein von einem Trupp feindlicher Kavallerie ver­folgter Kosak so verwegen auf ein Bataillon Infanterie ein, das ihm den Weg versperrte, daß dieses in seltsamster Betäubung Platz machte und ihn durchjagen ließ**). Der Oberst Tettenborn zog sich nach einigen leb­haften Scharmützeln wieder aus der Stadt zurück und wurde vor dem Tore vom General Tschernisclieff***) aufgenommen. Beide vereint besetzten die Höhe, die ungefähr eine Kanonenschußweite vom Tore liegt. Der Feind, der sich vom ersten Schrecken erholt hatte, kam jetzt aus der Stadt, um die Höhe anzugreifen; alle seine Versuche scheiterten jedoch an der Tapferkeit der Kosaken, die sich jedesmal, wenn er die Anhöhe

*) Der Kunstkritiker Herr Carl Krebs bemerkt von dem Bilde in der Zeitschrift Der Tag vom 25. d. M.:Gerade wie wenn ich in der AusstellungAlt-Berlin* im hiesigen Kupferstichkabinett ein Aquarell vom Potsdamer Platz um 1810 betrachte. Hier versenke ich mich in die Einzelheiten des Blatts, sehe das barocke Tor mit den beiden Wachtsoldaten an, freue mich über das engbrüstige weiße Hans mit Baikonen es sieht wie ein Traum von Karl "Walser aus das an der Stelle des jetzigen Caf6 Josty stand,

**) In Brandenburg« IX habe ich (Oktober 1900) mit Bezug auf Gustav Partheys Jugenderinnerungen Bd. I Berlin 1871 S. 71 folgendes geschrieben: Parthey sagt:1806 sprengten französische Reiter in Berlin über den Schloßplatz nach der Langen Brücke zu. Der letzte Reiter war etwas zurückgeblieben, spornte sein Pferd und dies schlug mit solcher Gewalt aus, daß das lockere Eisen eines Hinter­fußes bis gegen das Tuehhändler Hoffmannsche Hans flog und dort hängen blieb. An der Dachrinne mit Draht befestigt, diente es viele Jahre als Wahrzeichen. Parthey irrt sich hier, es handelt sich um einen Kosaken, der im Frühjahr 1813 sich in Berlin hineinwagte und von den Franzosen verfolgt wurde. Das betreffende Haus am Schloßplatz Nr. 12 wurde mit den Nachbarhäusern, um dem von der Brandenburg« besichtigten großen neuen Marstallgebäude Platz zu machen, abgebrochen; das auf einem kleinen Steppenpferdefuß deutende eigentümlich geformte russische Hufeisen ist ins Märkische Museum, unter Beifügung eines beurkundenden Schriftstücks gelangt und dort unter der Katalognummer B. VI 11652 eingetragen.

In der 1907 erscheinenden, von mir herausgegebenen, mit Anmerkungen ver­sehenen Neudruck-Ausgabe von Gustav Partheys Jugenderinnerungen (Verlag unseres Mitgliedes Frensdorff) habe ich den Sachverhalt richtiggestellt.

***) Derselbe Tschemischeff, dessen ich in meinen Jugenderinnerungen von Auer­stedt in der Oktobersitzung v. J. gedacht.