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16. (7. ordentliche) Versammlung des XV. Berichtsjahres.
Er dauert bis zuin Neujahre; die Buden werden hauptsächlich in der Breiten Straße aufgeschlagen.“
Aus etwas späterer Zeit datieren mehrere vorzügliche Kupfer Daniel Chodowieckis, den Weihnachtsmarkt darstellend; auch Abbildungon der bürgerlichen Weihnachtsbescherung haben wir. Dabei fehlt allemal — bis in die Anfänge von D. Th. A. Hoffmanns*) Zeit hinein — der Weihnachtsbaum. Auf einem Bilde sehen wir in der Mitte des Geschenketisches, da, wo jedermann heutzutage den Christbaum erwarten würde, ein pyramidenartiges Gestell, auf diesem aber — ein neues Kleid für die Hausmutter ausgebreitet — unwiderlegliche Beweise für diejenigen, die noch skeptisch sein sollten, daß der Weihnachtsbaum als Mittelpunkt der Weihnachtsbescheerung erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eingeführt ist. Unterstützt wurde die neue Sitte durch die entstehenden Eisenbahnverbindungen mit dem Harz und Thüringer Wald in den 50er Jahren, wodurch Fichten und Tannen in Masse und billig nach Berlin kamen, während die sparrige und störrige märkische Kiefer keinen recht brauchbaren Weihnachtsbaum liefert, was dazu beigetragen hat, die Benutzung der eigentlich doch wenig ästhetischen Weihnachtspyramide mit ihrer primitiven Form und grellen Ausschmückung vielfach auch in besseren Familien beizubehalten. Bei den „kleinen Leuten“ wird die Pyramide (berlinisch „ Per eklem ite“) noch jetzt benutzt.
Friedrich Wilhelm III. und die Königin Luise begünstigten ebenso wie bereits dessen Vater den Weihnachtsmarkt recht sehr. Auch die zweite Gemahlin des Erstgenannten, die Fürstin Liegnitz, sah man öfters dort Einkäufe machen, nicht minder Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I.; besonders letzterer verhielt sich der altehrwürdigen Institution gegenüber wohlwollend; auch gibt es noch Augenzeugen, die Kaiser Friedrich als Kronprinzen dort in jovialer Laune feilschend und scherzend gesehen haben.
Kein Wunder bei dieser Hofgunst, daß der Weihnachtsmarkt sich unter den Fenstern des Schlosses räumlich bis auf den Schloßplatz und zeitlich vom 11. Dezember bis 6. Januar ausdehnte, wobei außerdem noch das Lagern und allmähliche Aufstellen der Weihnachts- bäume 'vom 6, Dezember an geduldet wurde. Das war der Höhepunkt
,*) Die Märchen der Serapions-Brüder von E. T. A. Hoffmann. Ausg. von Hans von Müller Berlin 1907. Das Märchen vom Nußknacker und Mausekönig. S. 15: „Der große Tannenbaum in der Mitte trug viele goldene und silberne Äpfel, und wie Knospen und Blüten keimten Zuckermandeln und bunte Bonbons und was es sonst noch für schönes Naschwerk gibt, aus allen Ästen. Als das schönste an dem Wunderbaum mußte aber wohl gerühmt werden, daß in seinen dunklen Zweigen hundert kleine Lichter wie Sternlein funkelten.“ — S 323 sagt Hans v. Müller: „Im Vorbeigehen mag noch bemerkt werden, daß nach Tille's Geschichte der deutschen Weihnacht unser Märchen die erste Darstellung einer Berliner Weihnachtsfeier mit dem Christbaum ist.“