Heft 
(1907) 16
Seite
66
Einzelbild herunterladen

66

16. (7. ordentliche) Versammlung des XV. Vereinsjahres.

greifenden Erneuerung der Kirche von 1903 darch mancherlei Stiftungen aus. Eine eigenartige Stiftung ans älterer Zeit, auf die Bergau in seinen Bau- und Kunstdenkmälern in der Provinz Brandenburg mit Recht auf­merksam macht, ist das Ciborium (Oblatenkapsel) von 25. Dezember 1610. Das hochragende, oben mit einem Kreuz versehene Gefäß, das ausgestellt war, ist von Silber, zum Teil vergoldet, mit einer Bergkristall­kugel in der Mitte. Der untere Teil des Deckels zeigt in überaus charakteristischer Prägung den predigenden Luther, die Seitenflächen sind reich verziert und mit entsprechenden Bibelsprüchen geschmückt. Auf der Inschriftenseite wird als Stifterin genannt:Die edle und tugendreiche Rachel v. Rochow, des edlen und ehrenhaften Joachim v. Bredow Witwe. Die Namen der Geistlichen und Kirchenvorstelier schließen sich an.

Der zweite Teil des Vortrags wandte sich den sogenannten Legaten der Kirche zu. Ihre Zahl ist sehr groß, um so größer, als die Legate der von St. Nikolai 1897 einbezogenen St. Johanniskirche (das Stietzsche, Bauermüllersche, v. Diestsche, Rüppel'sche, Behrend-Armwaldsche Le­gat u. a. m.) hinzutreten. Aus der Fülle des Gegebenen waren eben­sowohl die rein städtischen, wie diegemischten Stiftungen, bei denen die Kirche noch heute Mitverwalterin ist (Heilige Geist-Hospital 1244, Wohltätigkeitsstiftung 1816) auszuscheiden, ebenso die Schul- bezw. Armenlegate eines Wolf Schneider, Piper, Neumaister, Földerich, Ebel u. a. m. In gleicher Weise waren die freien Vereinen und Wohl­tätigkeitsanstalten überwiesenen Legate unberücksichtigt zu lassen, des­gleichen sämtliche Legate für Gräberpflege, auf den alten kirchlichen Begräbnisplätzen, eben weil hier der spezifisch kirchliche Charakter zurücktritt. Zur Darstellung gelangten allein die kirchlichen Legate von St. Nikolai, und zwar in folgender Reihenfolge: die Kurrende die Sti­pendien, die kirchliche Armenpflege, die Kirchenbibliothek. Die Kurrende ist eine im wesentlichen kirchliche Einrichtung der Reformationszeit, die abgesehen von dem, was beim wöchentlichenUmsingen derKurren­daner in die Chor- und Kurrendekasse einging, durch mancherlei Le­gate (Joachim BerndsSpende, kurfürstliches LegatKehrgeld; letzteres wird noch heute an die Kirchenkasse von St. Nikolai in Höhe von 30 M jährlich gezahlt) getragen und gestützt wurde. Die kleinen Kurrendesänger in ihren schwarzen Mäntelchen, Schüler der untern Klassen derGroßen lutherischen Stadtschule, die mit ihrempraefectus vor den Haustüren der Bürgerschaft ihr Brot ersangen (wer denkt nicht an den Kurrendesänger Martin Luther von 1498, den Frau Ursula Cotta zu Eisenach so freundwillig in ihr Haus aufnimmt!), waren anfangs ihrer 12 an Zahl. Seit 1825 ist dieKurrende in unserer Stadt verschwunden. Nur dieKurrendaner, die in der Kirche dienen,Leviten genannt, sind geblieben; auch ihre Kurrende-Mäntelchen tragen sie noch heute.