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16. (7. ordentliche) Versammlung des XV. Vereinsjahres.
greifenden Erneuerung der Kirche von 1903 darch mancherlei Stiftungen aus. Eine eigenartige Stiftung ans älterer Zeit, auf die Bergau in seinen Bau- und Kunstdenkmälern in der Provinz Brandenburg mit Recht aufmerksam macht, ist das Ciborium (Oblatenkapsel) von 25. Dezember 1610. Das hochragende, oben mit einem Kreuz versehene Gefäß, das ausgestellt war, ist von Silber, zum Teil vergoldet, mit einer Bergkristallkugel in der Mitte. Der untere Teil des Deckels zeigt in überaus charakteristischer Prägung den predigenden Luther, die Seitenflächen sind reich verziert und mit entsprechenden Bibelsprüchen geschmückt. Auf der Inschriftenseite wird als Stifterin genannt: „Die edle und tugendreiche Rachel v. Rochow, des edlen und ehrenhaften Joachim v. Bredow Witwe“. Die Namen der Geistlichen und Kirchenvorstelier schließen sich an.
Der zweite Teil des Vortrags wandte sich den sogenannten Legaten der Kirche zu. Ihre Zahl ist sehr groß, um so größer, als die Legate der von St. Nikolai 1897 einbezogenen St. Johanniskirche (das Stietz’sche, Bauermüller’sche, v. Diest’sche, Rüppel'sche, Behrend-Armwald’sche Legat u. a. m.) hinzutreten. Aus der Fülle des Gegebenen waren ebensowohl die rein städtischen, wie die „gemischten Stiftungen, bei denen die Kirche noch heute Mitverwalterin ist (Heilige Geist-Hospital — 1244, — Wohltätigkeitsstiftung — 1816 —) auszuscheiden, ebenso die Schul- bezw. Armenlegate eines Wolf Schneider, Piper, Neumaister, Földerich, Ebel u. a. m. In gleicher Weise waren die freien Vereinen und Wohltätigkeitsanstalten überwiesenen Legate unberücksichtigt zu lassen, desgleichen sämtliche Legate für Gräberpflege, — auf den alten kirchlichen Begräbnisplätzen, — eben weil hier der spezifisch kirchliche Charakter zurücktritt. Zur Darstellung gelangten allein die kirchlichen Legate von St. Nikolai, und zwar in folgender Reihenfolge: die Kurrende die Stipendien, die kirchliche Armenpflege, die Kirchenbibliothek. — Die Kurrende ist eine im wesentlichen kirchliche Einrichtung der Reformationszeit, die abgesehen von dem, was beim wöchentlichen „Umsingen“ der „Kurrendaner“ in die Chor- und Kurrendekasse einging, durch mancherlei Legate (Joachim Bernds „Spende“, kurfürstliches Legat — „Kehrgeld“; letzteres wird noch heute an die Kirchenkasse von St. Nikolai in Höhe von 30 M jährlich gezahlt) getragen und gestützt wurde. Die kleinen Kurrendesänger in ihren schwarzen Mäntelchen, Schüler der untern Klassen der „Großen lutherischen Stadtschule“, die mit ihrem „praefectus“ vor den Haustüren der Bürgerschaft ihr Brot ersangen (wer denkt nicht an den Kurrendesänger Martin Luther von 1498, den Frau Ursula Cotta zu Eisenach so freundwillig in ihr Haus aufnimmt!), waren anfangs ihrer 12 an Zahl. Seit 1825 ist die „Kurrende“ in unserer Stadt verschwunden. Nur die „Kurrendaner“, die in der Kirche dienen, „Leviten“ genannt, sind geblieben; auch ihre Kurrende-Mäntelchen tragen sie noch heute.