10. (7. ordentliche) Versammlung des XV. Vereinsjahres.
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Die beiden spukhaften Sagen: „Abenteuer der Kurrendeknaben in der Kirche zu Spandau“, \yie sie Wilhelm Scbwartz in seinen vortrefflichen „Sagen und alten Geschichten der Mai'k Brandenburg“*) erzählt, wurden wortgetreu mitgeteilt. - Von Aveittragender Bedeutung sind, gleichfalls dem Geiste der Reformation entsprungen, die der St. Nikolaikirche gehörigen „Stipendien“, d. i. Legate für Studierende. Das erste Stipendium in Höhe von 500 Talern stiftete Herr Georg Christian Schreiber, ein junger Chirurgus anno 1708, das zweite (große) Stipendium zählt den Aveitberühmten Schulrektor Samuel Jacobi — 1737 zu seinem Stifter. Abgesehen von einer „WechselAviese auf dem StresoAv“, über deren Besitz und Nutzung mit der Familie des Stadtmusikus Fredersdorf jahrelang prozessiert Avurde (Frau Fredersdorf Avar Jakobis Enkelin), bestand das „Jakobi’sche Stipendium“ in der Schenkung der sogenannten „Steinhufe“ in der Maselake, die damals 16 Thlr. Pacht trug“. Vor etlichen Jahren ist die „Steinhufe“ für 45 001) M verkauft Avorden! Das Kapitalvermögen der kirchlichen Stipendienkasse beträgt zurzeit .112 698,35 VI, die Höhe der zu konferierenden Stipendien über 4000 M jährlich. Die Kirchenchronik bezw. das Pfarrarchiv enthalten eine förmliche Geschichte der Kirclienstipeudien, die Testamente der Legatoren, die Verwaltungsnormen, die namentliche Aufführung aller Stipendien (zumeist Söhne unsrer Stadt) bis 1798 und Aveiter, die Berichte über geführte Prozesse. Der Vortragende teilte verschiedene interessante und charakteristische Einzelheiten aus den Stipendienakten mit. Zu bedauern ist, daß das Jacobi’sche Stipendium nur für Theologen und Juristen bestimmt ist, .vährend das Schreiber’sche Stipendium allen Fakultäten, freilich nur in inmaliger Berücksichtigung des einzelnen offen steht.
Die kirchliche Armenpflege nach der Reformationszeit zeigt eine anz eigenartige Entwicklung. Es gab eigene Armenvorsteher der irclie und einen eignen kirchlichen Armenkasten. In den „Kasten“ er steht noch heute mit seiner altertümlichen, kunstvollen Ausrüstung n der Kirche rechts am Ausgang unter der Orgelempore) flössen einmal ie Interessen der Armen-Logate (Jochim Bernd, Rochus von Lynar, ’ouverneur v. Schöning, Hans Ludwig von Goerzke, Erbherr von ollensdorff), sodann die Einkünfte des „Klingelbeutels“, den die Armen- orsteher fleißig in der Kirche „umzutragen“ hatten, sowie die Erträg- isse der eisernen Büchsen, die in den Gasthäusern bei Hochzeiten, astgeboten, Kindtauf- und Begräbnis - Schmausen durch „getreue ersonen „ausgehalten“ zu Averden pflegten. Einnahme und Ausgabe .'urden fein säuberlich in einem kirchlichen „Almosen- Büchlein“
*) Sagen und alte Geschichten der Mark Brandenburg. Aus dem Munde des olks gesammelt und wiedererzählt von Wilhelm Scbwartz, Stuttgart und Berlin, J. G. ■otta’sche Buchhandlung Nachfolger, Geh. 2 M, geh. 3 M.
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