Heft 
(1907) 16
Seite
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17. (8. ordentliche) Versammlung des XV. Vereinsjahres.

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Herr Rektor Otto Monke berichtet Nachstehendes.

In Müncheberg hielt man die Keule an Küstriner Tor früher für ein Wahrzeichen der Weinbau treibenden Stadt; der in der Heimatkunde wohlerfahrene Herr Arndt daselbst behauptete, alle Städte, die eine Keule am Tor hatten, seien früherWeinstädte gewesen. Man habe daher sogar geglaubt, die Keule sei eine starke Weinrebe, bis vor 15 Jahren ein­quartierte Soldaten in der Nacht die Keule herunterholten, durch die Stadt schleiften und vor der Apotheke niederlegten. Bei dieser Ge­legenheit habe man sich davon überführt, daß das Holz der Keule Kiefernholz sei, was sie übrigens nach meiner Ansicht auch von unten aus sehen konnten, wenn sie die Keule nicht von vornherein mit dem gedachten Vorurteil betrachtet hätten.

Vielleicht hängen die Keulen des Wirtshausschildes des Gasthofs Wilder Mann, mit den beiden nackten Männern, die riesige Keulen mit sich führen, mit der Torkeule zusammen.

Der Vorsitzende E. Friedei bemerkt.Es ist doch recht auf­fallend, daß in manchen Orten mehrere Keulen an den Stadttoren befestigt sind, z. B. in Jüterbog ihrer drei vor drei verschiedenen Toren. Weshalb dies im Interesse der Stadtbewohner stattgefunden haben solle, ist nicht recht ersichtlich; dergl. Wählzeichen, Symbole u. ff. wurden doch seit alters am Rathause der Städte zu allgemeiner Kenntnis und Nachachtung angebracht. Dies bringt mich unwillkürlich zu der Erwägung, ob nicht die Torkeulen zur Warnung und Beherzigung der ländlichen Bevölkerung angebracht wurden. Noch jetzt findet durch die Tore der mittleren und kleineren Städte ein reger Verkehr, Klein­handel und Großhandel (Vieh, Korn, Stroh, Heu, Kartoffeln, Holz, Torf und dergl.) statt; vor der Einführung der Eisenbahnen also in älterer und alter Zeit war das noch viel mehr der Fall. Mir schweben dabei die jahrelangen traurigen Erfahrungen vor, die ich in ländlichen Be­zirken der Provinz Brandendurg während meiner richterlichen Tätigkeit gesammelt habe. Ich denke dabei an die Altsitzer oder wie sie auch bei uns genannt werdenAuszügler.

In vielen Teilen Deutschlands herrscht die Sitte, daß der Vollbauer, der Halbbauer, der Kossät, der Büdner, sich schon bei verhältnismäßig jungen Jahren auf Altenteil setzt. Das bedeutet bekanntlich, daß er mit dem ältesten Sohn, der die Landwirtschaft voll und ganz übernimmt, einen gerichtlichen, im Grundbuch einzutragenderi Vertrag abschließt, wonach dem Altsitzer für die Aufgebung seiner Wirtschaft lebensläng­licher Unterhalt gewährt wird: freie Wohnung, Holz oder sonstige Feuerung, Licht, teilweise Beköstigung, Wäsche, Leinwand und dgl., kurz alles was so zu sagen zu des Leibes Notdurft und Nahrung er­forderlich ist. Dergleichen halsabschneiderische Verträge gehen mit­unter vollkommen rüstige Wirte ein, mitunter schon von Ende ihrer