Heft 
(1907) 16
Seite
115
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Kleine Mitteilungen.

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selbe gilt von den alten und ältern in Spandau verbliebenen, bezw. neu­beschafften Läuteglockem. Wir hören von zerstörenden Blitzschlägen, von zersprungenen und utegegossenen Glocken, von Glockenspenden des Kur­fürsten Georg, sowie des Grafen Johann Casimir von Lynar; wir lernen die Spandauer und Berliner Glockengießer jener Zeit, einen Martin Grund, einen Christian Heintze von hier, sodann den Meister Andreas Brüggen und den Stückgießer Johann Jacobi aus Berlin kennen: wir blättern mit Interesse in dem altenproject und regiement wegen hiesiger Leichenbegängnisse das im ganzen 8 Spandauer Kirchenglocken aufführt und in wundersamen Klassifikationen das Puls-, Vor-, Gang-, Nach- und Vollgeläut je nach Stand und Würden der Verstorbenen regelt, auch den Kustos, den Kantor, den Schulmeister, den Schulchor, die Pulsanten Und Glockenzieher von wegen derstillen undöffentlichen, derganzen undhalben Leichen aufs beste informiert und instruiert. Dann naht jener mächtige Brand in der Nacht vom 24. zum 25. Juni 1740, der den Turm, einst den höchsten in der Mark, und mit ihm das ganze Glockengut in Staub und Asche legte.Wir mußten fortan so erzählt die Chronikmit 2 Glocken zum Geläut für­lieb nehmen, die man Vom Prinzen von Preußen aus Oranienburg kaufte und die bis hierher 177 Thlr. ß Gr. 6 Pf. kosteten. Die ältere Herkunft beider Glocken ist unbekannt; sie wurden für Spandau noch im Jahre 1740 durch den Glockengießer Paul Meurer in Berlin umgegossen. Ihr erstes Geläut recht eigentlich ein Weihnachtsgeläut erklang, nachdem der Turm in jahrelanger Arbeit wiederhergestellt worden \var, am Weihnachts-Heiligabend, den 24. Dezember 1744,so denn die zweyen Glocken aus dem bisherigen Behältnisse (sie waren wohl auf dem Kirchenboden aufbewahrt worden) in der Christwoche auf den Turm gebracht worden waren.

Die große Glocke mit ihrem tiefen D, 22 Zentner schwer (der untere Durchmesser beträgt 130 Zentimeter), ertönt noch heute zumEiniäuten der großen Kirchenfeste, zum gottesdienstlichen Geläut, zumSterbegeläut, droben im Glockenstuhl (unterhalb der Turmhaube) von 2 Glockentretern in nicht ungefährlicher Arbeit bedient. Der obere Fries der Glocke enthält Reliefs, Engel mit Glocken darstellend, darunter lesen wir:Soli Deo Gloria (Gott allein die Ehre); unten steht: FUDJT BEROLJNJ J. P. MEURER (J. P, Meurer zu Berlin goß mich). Der Mantel der Glocke zeigt folgende Inschriften: 1) Gloria summa Deo nostro sit in aethere summo Pax terris et nil non nisi veile bonum. Das ist also dasWöihnachtslied der Glocke, das gloria der heiligen Nacht, das Engellied:Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen! Das Lied kehrt oft als Glockeninschrift wieder; Deutsch, in dreifacher Teilung, u. a. auch auf den 3 schönen Gußstahlglocken unserer Lutherkirche (1896). Daß Meurer, der sonst fast durchweg deutsche Glockeninschriften bevorzugte, hier für 8t. Nikolai die lateinische Inschrift anwendet und noch dazu in ganz un­evangelischer Wiedergabe des Textes (der letzte Satz jenesglofia heißt wörtlich:und nur Gutes wollen), erscheint geradezu unbegreiflich. Viel­leicht fand er die wiedergegebene Inschrift auf der alten, aus Oranienburg übernommenen Glocke vor. Unter demgloria befinden sich die Namen desMinisteriums (der Geistlichen) und der 5 Kirehenvorsteher:

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