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19 . (9. ordentliche) Versammlung des XV. Vereinsjahrea.
es die Wenden der beiden Lausitze den Deutschen noch jetzt zuvor. Ebenso war bei uns Sitte und ist es, wo die Gelegenheit solches ermöglicht, noch jetzt, daß die Eier für Kinder versteckt werden, die übrigens solche aus Zucker, Schokolade und Marzipan, den natürlichen der Familie Krähfuß vorziehen, was wir unseren Kleinen nicht verargen wollen. Ebenso ließ man von den Hängen unserer Höhenzüge Eier herunterrollen; ob die Rollberge in der Haisenheide hiervon, wie man behauptet, ihren Namen haben, wage ich nicht zu entscheiden. Jedenfalls findet das Eierrollen am Ostertag noch in manchen Dörfern des Barnim und Teltow statt. In der alten wendischen Spreestadt Bautzen habe ich einen besonders für das Ostereierrollen bestimmten, geglätteten Hügelabhang erst kürzlich gesehen.
„Osterfeuer“ werden hier und da in der Mark noch angezündet, ebenso findet, selbst in nächster Nachbarschaft von Berlin, noch das „Ruteggtiepen“ (Rutensteupen) statt. Die Knechte haben das Recht, verschlafenen Mägden die Bettdecke fortzuziehen und die Mädchen mit den Ruten, die am Palmsonntag (in Form von Weidenzweigen mit Blüten, den sogenannten „Kätzchen“) den Tisch geziert, zu schlagen (stiepen).
Auch bei den Gerichten der Osterwoche begegnet sich Heidnisches und Christliches — man möchte sagen — traulich. Der in Masse begehrten, früher namentlich von den ärmeren Berliner Kindern unter Vorsingen von Versehen gesammelten Ostereier haben wir Erwähnung getan. Am Gründonnerstag mußte und muß „Grünkohl“ und zwar möglichst solcher, der Frost erhalten hat, verzehrt werden. Daneben kommt am Donnerstag der Schweinebraten, der dem Donar oder Thor zu Ehren verzehrt wurde, und der Sauerkohl zur Geltung; dieser ist zweifellos slavischen Ursprungs und hat sich erst langsam im Laufe des vergangenen Jahrhunderts nach Westen zu in die Lande germanischer Observanz verbreitet.
Beim Verzehren endlich des „Osterlammes“ begegnet sich Altes und Neues Testament, Judentum und Christentum.
Auch bei unserem Osterfest mit seinen uralten Gebräuchen können wir also dem Katholizismus nur dankbar sein, daß er Heilsglauben und Volksglauben so innig verschmolzen hat. Möge diese Vereinigung als Erinnerung an die wirklich einmal so zu nennende „gute, alte Zeit“ in unseren germanischen und slavischen Bevölkei'ungseleinenten auf dem Lande und bei uns im neuen Berlin noch recht lange fort- dauern.
XXI. Aus der Stadt Deutsch - Wilmersdorf bei Berlin. Seitens des Kais. Regierungsrats Herrn Dr. Niebour-Deutsch-Wilmers- dorf wird von den seit 20 Jahren dort erscheinenden „ Wilmersdorfer Blättern“ die Nr. 1, April 1907 (Jahrgang X) vorgelegt, die 1. Nummer