Heft 
(1907) 16
Seite
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19. (9. ordentliche) Versammlung des XV. Vereinsjahres.

dorfs, das allein das Recht hatte, Gäste zu behergen, und vom Schwager Brandts, Ilerzsprung, geleitet wurde; die Frau Ilerzsprung ist den älteren Bewohnern unseres Ortes noch wohlbekannt Das Gasthaus ist der heutige Louisenpark. Weiter folgt das Wohnhaus Lipiuskis und dann der llauptteil des alten Rittergutes, eines Königlichen Vorwerks, das vor hundert Jahren die Familie von Eckartsteiu erwarb. Auf unserer Karte ist der Berliner Stadtrat Franke als Besitzer genannt, der damals das ganze große Gut verwaltete. Er hielt ständig 200 Kühe und 5 000 Schafe und Schweine. Franke wohnte in der Aue und hatte sich über den Sumpf (die Verlängerung des Sees) einen Steg gebaut bis zu dem als Feldkeller auf der Karte eingezeiclmeten Bau. Der Feldkeller war ein alter Bau der Gutsverwaltung, Franke baute noch einen Turm hinzu, von dem aus er die Herden und die Arbeiten seiner Leute (er baute auch Korn usw.) kontrollieren konnte. Der Turm ist erst vor einigen Jahren gefallen. Franke verkaufte später die ganzen Ländereien an Carsten- Lichterfelde, der bekanntlich die Kaiserallee aulegte, auch Friedenau, das früher zum Wilmersdorfer Rittergut gehörte, gründete. Neben dem Rittergute, dem heutigen Viktoriagarten, stand und steht noch heute das kleine Haus Blisses, des bekanntesten der alten Wilmersdorfer Bauern, der im vorigen Jahre in hohem Alter gestorben ist. Besitzer war vor 50 Jahren der Stiefvater Blisses Kraatz. Das spätere Wohnhaus Blisses ist neueren Datums. Auf Blisse folgte das Pfarrhaus mit der alten Kirche. Die alte Kirche stand vor der jetzigen neuen. Sie war von einem Friedhofe umgeben, von der noch einige Grab­steine erhalten sind. Von der alten Kirche ist nur noch der Turni- knopf mit der Wetterfahne vorhanden, der oben auf dem Konfir­mandenhaus angebracht ist. Neben der Kirche standen 1856 ländliche Gebäude, die dem Bauer Joh. Blisse und seinem Sohne Aug. Blisse ge­hörten; heute erheben sich hier drei schmucke großstädtische Villen, welche die drei Schwiegersöhne Blisses mit ihren Familien bewohnen. Weiter folgte das Wohnhaus Gieselers, der ältesten Wilmersdorfer Bauernfamilie, und dann kommt die schöne Besitzung des Herrn von Thielmann, jetzt dem Augenarzt Schüler gehörig. Das interessante alte Gebäude ist um 1760 gebaut worden; es wnrcle 18001828 von dem Bankier Benecke, dann von dem Bankier Friebe bewohnt und ging hierauf in den Besitz des Schwiegersohnes Friebes, des Ritt­meisters v. Thielmann über, des Vaters des späteren Staatssekretärs des Reichsschatzamts.

Die Nordseite der Aue ist noch weit mehr umgestaltet als die Südseite. Von den alten Häusern sind nur wenige erhalten. Das erste Grundstück im Osten gehörte noch zu dem großen Thielmannsclien Besitz, auf dem zweiten standen noch bis vor kurzem die Wohngebäude von A. Schoeps. In dem einen dieser Häuschen wohnte jahrelang im Sommer