Heft 
(1907) 16
Seite
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Aufgaben, Mittel und Wege des Heimatschutzes in der Prov. Brandenburg. 227

hingewiesen, um die Wandelbarkeit des Urteils zu belegen. Manches Stadttor im nächsten Umkreise ist, wie wir heute sehen, unnötig geopfert worden, manches ehrwürdige Bauwerk ohne zwingenden Grund moder­nisiert und seines heimischen künstlerischen Ckarakters entkleidet und manche Vogelart durch unverständiges Niederknallen nahezu ausgerottet worden. Wir erheben keine Anklage. Wo die Zeit den Willen lähmt und das Auge trübt, gibt es keine Schuldigen; aber wir dürfen Umschau halten über das, was uns geblieben ist und was wir erhalten können.

Dass der Gedanke der lleimatsckutzbewegung seit dem 4. April 1904, da wir in Dresden zuerst zu einer lauten Kundgebung zusammen­traten, so energisch gewachsen ist, ist schließlich das Ergebnis derselben geheimnisvollen Kulturkräfte, die vordem so verwüstend über unser Land und seine Denkmäler dahinzogen; aber die Resonnanz die in uns ist, ist heute eine andere. Wir sorgen nicht-'mehr allein für den Eiuzelfall, sondern suchen die Kräfte, welche das Natur- und Kultur­denkmal schützend umhegen, in ihrer Gesamtheit zu umfassen. Da er­kennen wir, daß hinter der Bewegung, das einzelne gefährdete Denkmal zu schützen, die größere Absicht steht, mit diesem Besitz zugleich das ideale, kulturliche Besitztum des deutschen Volkes zu erhalten. Ja, mehr als das! Wir sind vom Erhalten zum Werden fortgeschritten, wie es uns d-* Bestrebungen für^volkstümliche Bauweise, für weitausschauende Bebauungspläne darlegen.

Für unsere Tätigkeit müssen wir allerdings zunächst die Erhaltung betonen. Die Ereignisse in Berlin, die den Bestand der wenigen Denk­mäler noch zu vermindern drohen und zum Teil auch vermindert haben, lassen schon in der starken Gegenströmung erkennen, daß hier große Aufgaben zu lösen sind, daß hier aber auch Mitwirkung aus allen Kreisen zu erhoffen ist. Wenn sich unsere Stadt beglückwünschen darf, unter den höchsten Beamten liebevolle Wächter ihrer Baudenkmäler zu besitzen, so haben die Ereignisse doch dargetan, daß der ungeberdige Riese Verkehr ein gefährlicher Feind unserer Bestrebungen ist. Nur mit Mühe sind unvergleichliche Architekturbilder wie der Potsdamer­und Pariser Platz, der Platz vor dem Opernhause vor Beeinträchtigung geschützt worden; wir wissen nicht, wie lange der Schutz ausreicht. Sind in diesen Fällen wirklich große Verkehrsschwierigkeiten zu über­winden, so kann man an anderen Orten dasselbe nicht behaupten, wo man lediglich aus Neuerungssucht sich großstädtisch geberden will. Potsdam z. B., dessen schöne Straßenbilder, Schlösser, Häuser und An­lagen insgesamt ein Riesendenkmal kohenzollernscher Fürsorge ist, steht in Gefahr, seine charakteristischen Straßenbilder dauernd zu verlieren. Eine alte Rüster, welche das Gedächtnis an einen liebenswürdigen Zug Friedrich Wilhelms III. lebhaft erhielt, ist erst vor wenigen Wochen ver­schwunden, weil das Gestränge der elektrischen Bahn einen kleinen

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