2. (1. außerordentliche) Versammlung des XVI. Vereinsjahres.
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Aus der Vergangenheit des Grunewalds.
Von Dr. Gustav Albrecht.
Betrachtet man eine Karte des Kreises Teltow aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts neben einer aus dem Jahre 1907 und vergleicht auf beiden den Umfang des Grunewaldgebiets, so wird man überrascht sein, in welchem Maße der Baumbestand des damals bis nach Wilmersdorf und Schöneberg reichenden Waldgebiets sich verringert hat, und noch erstaunter wird jeder sein, wenn er hört, daß das Gebiet des Grunewalds zur Zeit des Großen Kurfürsten sich bis an die Spree und bis an die Tore von Berlin erstreckte.
Aber es verhielt sich in der Tat so, und wo heute Villenlolonien sich ausdehnen, wo der Bauer die Pflugschar tief eingreifen läßt in das Erdreich oder wo die Industrie die Stätten reger Tätigkeit errichtet hat, da zog sich damals dichter Wald hin und Scharen von Wild tummelten sich an den Seen und Laken und in den Fennen, die einen großen Teil des Grunewalds durchzogen und noch heute durchziehen. Bis in die Tage des Großen Kurfürsten blieb der Grunewald unberührtes Jagdgebiet der Ilohenzollern, dann wurde unter König Friedrich I. bei der Gründung von Charlottenburg der Anfang mit der Abholzung des nördlichen Waldeszipfels gemacht, darauf folgte unter Friedrich dem Großen die Niederlegung einiger Waldpartien längs der Havel durch eine englische Gesellschaft, welcher die Holznutzung auf mehrere Jahre verpachtet worden war, und im 19. und 20. Jahrhundert haben die Anlage der Potsdamer und Wetzlarer Bahn, die Gründung von Villenkolonien, die Durchlegung der Döberitzer Heerstraße uud manches andere den Waldbestand immer mehr vermindert, so daß von der „Lunge Berlins“, wie der Grunewald genannt wird, kaum noch ein „Lungenflügel“ übrig geblieben ist.
Weitere Anlagen von Rennbahnen und Automobilstraßen, von Landhäusern und Restaurants und die Ausschachtung eines die Seen verbindenden Kanals sind geplant, und diese Anlagen erfordern naturgemäß eine erhebliche Abholzung des Waldbestandes. Die landschaftliche Schönheit, die idyllische Ruhe, überhaupt der ganze Charakter des Grunewalds sind durch diese Pläne bedroht, und es ist an der Zeit, daß sowohl die Bevölkerung von Berlin als auch Natur- und Geschichtsfreunde laut ihre Stimmen gegen die Verunstaltung des Grunewalds erheben. Schon haben verschiedene lokale und naturwissenschaftliche Vereine Protest eingelegt gegen die Absichten des Fiskus und der einzelnen Terrain-Gesellschaften,, und ihnen schließt sich die „Brandenburgia“ an, die aus aesthetischen, heimatkundlichen und geschichtlichen Gründen die Erhaltung des noch vorhandenen Waldbestandes befürworten will.
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