Heft 
(1907) 16
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2. (1. außerordentliche) Versammlung des XVI. Vereinsjahres.

Jagdhauses zurück und empfing hier im geheimen den Geliebten, der an ihrer Seite von den Regierungslasten ausruhte und von Liebe und Selig­keit träumte.

Jäh wurde dieses Liebesglück durch den Tod Joachims am 2. Januar 1571 unterbrochen. Sein Nachfolger Johann Georg hatte einen so glühenden Hali auf die Maitresse seines Vaters geworfen, daß er sie sofort gefangen nehmen und auf der Feste Spandau einkertern ließ, wo sie, wie dieCöllnische Stadtschreiber-Chronik berichtet, am.November 1575 imGefencknus gestorben ist. Über ihr Schicksal und ihr Lebens­ende wurde in jener Zeit nichts bekannt, das Volk munkelte deshalb allerlei, und schließlich sprach man davon, daß der neue Herrscher die »schöne Gießerin lebendig im Jagdschloß habe einmauern lassen, und daß ihr Geist dort umgehe, daß es nächtlicherweile an den Wänden scharre und kratze, daß es schluchze, seufze und schreie. Manche wollten auch eine weiße Gestalt an den Fenstern und an den Gemächern gesehen haben. Eine teilweise vermauerte Wendeltreppe bezeichnet man als den Ort, wo der Kurprinz dieschöne Gießerin habe hinabstoßen und lebendig einmauern lassen.

Diese Wendeltreppe, welche erst im zweiten Stockwerk zu Tage tritt, während ihr unterer Teil durch breite Steinfliesen und eine eiserne Ofenplatte verdeckt und ihr Eingang aut der Wasserseite vermauert, ist, hat selbstverständlich zu vielfachen Sagen Veranlassung gegeben. Nach einer andern Version hat nicht Johann Georg die Einmauerung voll­ziehen lassen, sondern die Kurfürstin Hedwig selbst, indem sie in dem Augenblicke, als dieschöne Gießerin jene Treppe betreten hatte, die beiden Ausgänge versperren und dann zumauern ließ. Nach einer ähn­lichen Version soll eine schöne Hofdame, welche einer Kurfürstin Anlaß zur Eifersucht gegeben hatte, die Treppe hinabgestoßen und ein­gemauert worden sein. Eine weitere Tradition endlich berichtet, daß zur Zeit Joachims II. ein Mitglied des Herrscherhauses, vom Wein berauscht, auf jener Treppe im Jähzorn einen Hofkavalier niedergestoßen habe und daß der Kurfürst, um die Erinnerung an die Tat zu verwischen, die Treppe zumauern ließ. Der Tote sei jedoch, so sagt das Volk, auf der Treppe liegen geblieben, und wenn man das Mauerwerk öffne, würde man das Gerippe finden.*)

*) Wieviel an dieser Tradition auf Wahrheit beruht, mag dahingestellt bleiben, Tatsache ist nur, daß alle hohenzollernschen Fürsten, welche um Erlaubnis zur Öffnung der geheimnisvollen Treppe gebeten wurden, ein solches Ansinnen rundweg ablehnten. Friedrich Wilhelm IV. erklärte, er wolle sich nicht in die Geheimnisse seiner Ahnherren einmischen, wenn diese den Treppenaufgang zugemauert hätten, so müßten sie wohl ihre guten Gründe dazu gehabt haben. Kaiser Wilhelm I. entgegnete auf den Vorschlag des Großherzogs von Sachsen-Weimar, der Sache einmal auf den Grund zu gehen, kurz und ablehnend, man solle am Vergangenen nicht