2. (1. außerordentliche) Versammlung des XVI. Vereinsjahres.
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nicht mehr vom Jagdschloß Grunewald aus abgehalten worden, sondern seit 1903 auf dem Gelände des Rittergutes Ferbitz und des Truppenübungsplatzes Döberitz. In den folgenden Jahren ist fast der gesamte Wildbestand des Grunewalds nach dem neuen kaiserlichen Jagdrevier Neu-Oranienburg überführt worden, wo auch in Zukunft die Ilof- und Parforcejagden stattfinden sollen.
Die Hubertusjagd, die nach alter Jägersitte alljährlich am 3. November vom Jagdschloß Grunewald aus veranstaltet wurde, bildete schon zur Zeit Friedrich Wilhelms IV. einen Anziehungspunkt für die umwohnende Bevölkerung und besonders für die schaulustigen Berliner, und nach dem Kriege 1870—71, als sich ein regeres Volksleben in Berlin zu entfalten begann, mehrte sich auch die Teilnahme der Berliner an den llofjagden im Grunewald und besonders an der Hubertusjagd. In langen Scharen, zu Fuß, zu Wagen und hoch zu Roß, wanderten an den Tagen, wo Hofjagden stattfanden, namentlich aber am 3. November die Berliner nach dem Grunewald und folgten dem Verlaufe der Jagd, die bei der Saubucht begann und sich nach dem Durchbrechen des Keilers in dieser oder jener Richtung durch den Grunewald hinzog.*)
Diese Besuche im Grunewald ließen den Berlinern den Aufenthalt im luftigen Waldrevier sehr bald recht angenehm erscheinen, und allmählich mehrten sich die Ausflüge dorthin in ganz erheblichem Maße. Spekulative Köpfe erkannten schnell, daß aus dem Massenbesuch des Grunewalds beträchtlicher Nutzen zu ziehen sei, und an verschiedenen Orten, wie in Paulsborn, Schildhorn und Pichelsberg, am Schlachtensee und Halensee, entstanden Wirtshäuser, die nun die Anziehungspunkte für die Ausflügler bildeten. Durch die Anlage der Potsdamer und Wetzlarer Bahn war ein Teil des Grunewalds dem Verkehr erschlossen worden, die Fortführung der Stadtbahn als Vorortbahn bis nach Wannsee, die Erbauung des Südrings und später der Wannsee taten ein übriges, und nicht gerade zu seinem Vorteil wurde der Grunewald nun vollständig „erschlossen.“ Bauunternehmer und Terraingesellschaften wußten die günstigen Umstände dieser Erschließung des Waldgebiets auszunutzen, und verschiedene Villenkolonien schoben sich vom Rande her in den Grunewald hinein, umfangreicher Baumbestand fiel ihnen zum Opfer.
Den Anfang mit der Entforstung des Grunewalds machte die Villenkolonie Grunewald, die in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts von der Kurfürstendamm-Gesellschaft angelegt worden ist und seitdem einen beträchtlichen Teil des Waldgebiets verschlungen hat. Kein Geringerer als Fürst Bismarck ist für die Anlage des Kurfürstendamms ganz energisch eingetreten, und ihm hat die Gemeinde
*) Über den Verlauf einer Hubertusjagd vgl. Berdrow, Der Grunewald. 1902. S. 89 ff.