4. (3. außerordentliche) Versammlung des XVI. Vereinsjahres.
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vielen solchen Schluchten heute ungestört wuchert, zeigt uns jedoch, daß heutzutage diese Schluchtenbildung olfenbar meist aufgehört hat, mit geringen Ausnahmen, an denen meistens der Mensch Schuld hat, weil er derartige Einschnitte zu Wegen benutzt, und dadurch die Pflanzendecke immer wieder zertritt. Die Schluchten sind also nicht im eigentlichen Sinne heutige Bildungen, wahrscheinlich müssen wir sie in der Hauptsache der Steppenperiode zuschreiben, die der heutigen Pflanzenbedeckung voraufging.
Ziehen wir die verhältnismäßig geringen Wirkungen der bisher besprochenen Kräfte ab, so bleiben als Hauptfragen nur die übrig: Wie entstanden die großen Höhenzüge, von denen die Havelberge ein besonders wichtiger Teil sind und wie entstanden die Täler vom Charakter der Havelrinne und der Grunewaldseenrinne? Wenden wir uns der letzteren zu! Wirkungen des fließenden Wassers sind auch hier unverkennbar; der ebene Talgrund, der meist die einzelnen Seen mit einander verbindet, auch dort, wo der Boden nicht durch Moor gebildet wird, bezeugt, daß er von Wassermassen eingeebnet wurde, die durch dieses Tal nach Süden flössen. Es fragt sich nur, ob diese Wässer das ganze Tal schufen, oder ob sie nicht vielmehr diesen Weg wählten, eben weil das Tal ihnen den tiefsten Abflussweg bot. Da der Grune- wald der höchste Punkt der Teltowhochfläche ist, so erscheint es an sich unnatürlich, daß das Wasser sich seinen Abfluß in der Richtung dieses Höhenzuges suchen sollte, während gerade senkrecht dazu das größte Gefälle vorauszusetzen wäre. Geheimrat Wahnschaffe, der den Standpunkt vertritt, daß die Grunewaldseenrinne vom Wasser geschaffen ist, hat diesen Schwierigkeiten dadurch zu begegnen gesucht, daß er annahm, beim Rückzuge der eiszeitlichen Gletscher hätte in der Richtung der Grunewaldseenrinne unter dem Eise ein Abfluß bestanden, vielleicht bedingt durch Spalten im Eise; so, gleichsam zwischen den Eiswänden geführt, hatte das Wasser die Richtung genommen, die die Seenrinne heute zeigt. Dabei bleibt immer noch schwer zu erklären, wie die Seenbildung in diesem Tale entstand, da in fließenden Wasserläufen der Boden im allgemeinen ein talabwärts gerichtetes Gefälle zu besitzen pflegt und also keinen Anlaß zur Bildung wannenförmiger Seen gibt. Auch läßt sich die Wahnschaffesche Erklärung sicher nicht auf das Haveltal übertragen. Für diesen wichtigsten Punkt müssen wir also nach einer anderen Ursache suchen. Zache hat darauf hingewiesen, daß hier auch die gebirgsbildenden Kräfte eine Rolle gespielt haben müssen, die weiter im Süden unbestritten als die Hauptbildner des Bodenreliefs anerkannt werden. Eine dritte Möglichkeit, die wenigstens für die Havelberge von Keilhack angedeutet wurde, ist die, daß wir es hier mit Moränenbildungen zu tun haben. Allerdings dürfte dabei wohl weniger an Aufschüttungen vor dem Eisrande als an Aufpressungen