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5. (2. ordentliche) Versammlung des XVI. Vereinsjahres.
C. Naturgeschichtliches und Technisches.
XVI. Die Berichte über die Veranstaltungen der S tadt Berlin zur Förderung des naturwissenschaftlichen Unterrichts in den höheren Lehranstalten werden seit 1906 von Herrn Direktor Prof. Dr. W. Breslich herausgegeben. Ich lege Ihnen heut den inhaltreichen Bericht im Jahre 1906 bis 1907 vor und mache dabei besonders auf die übersichtliche nachfolgende Mitteilung u. M. Dr. Fr. Solger aufmerksam, welche sich betitelt:
Paläontologie des Menschen.
Die Paläontologie des Menschen, schreibt Solger, hat das Ziel, den Weg zu erforschen, den wir hergekommen sind, aber die Marksteine dieses Weges sind teils verschwunden, teils unkenntlich, teils auch hindern uns manche Vorurteile, sie zu erkennen. Zudem ist der Forschungszweig noch zu jung, und die meisten Ergebnisse werden noch heiß umstritten. Bei dieser kurzen Übersicht ist es daher weder möglich, nur das endgültig Gesicherte zu geben, noch alles Für und Wider zu erwägen. Es kann sich nur um einen Überblick über den Kampf der Meinungen handeln, über die Waffen, mit denen er geführt wird, und die Wege, auf denen wir vorwärts zu kommen hoffen. Es sei dabei vorausgeschickt, daß als die Grundlage aller derartigen Forschung die Entwickelungslehre vorausgesetzt wird, denn ohne sie würde die Vorgeschichte des Menschen aufhören, sobald wir auf einen Vorläufer träfen, der in die Artbeschreibung des heutigen Menschen nicht mehr hineinpaßte. Für uns beginnt sie erst mit diesem Augenblick, und eine Reihenfolge solcher Stufen ist es, die wir suchen.
Die Paläontologie muß sich meist mit Bruchstücken einzelner Skelette begnügen, deren Alter zu bestimmen schon Schwierigkeiten macht. Alle Forschungsmethoden, die aus einem großen Material Normales und Ungewöhnliches trennen, um nur dem ersteren sich zuzuwenden, versagen in der Paläontologie. Ein klassisches Beispiel liefert der bekannte Neandertalschädel.*) In einem Seitentale des Düsseitales fand man im Anfänge der 50er Jahre Reste eines menschlichen Skelettes, von denen sich vor allem der Schädel durch niedrige Stirn und starke Wülste über den Augenhöhlen auszeichnete. Leider sind die Fundumstände von wissenschaftlichen Forschern erst festgestellt worden, als diese Skelefteile aus ihrer ursprünglichen Lage entfernt waren, und so zeigt dies Beispiel alle Schwierigkeiten der Forschung. Die Knochenreste waren unvollständig, vom Schädel fehlten alle Gesichtsteile, ferner fehlten alle Hand- und Fußknochen, und über die Bedeutung dessen, was man gefunden hatte, wurden die widersprechendsten Meinungen
*) Für die anatomische Seite der Frage vergl. Schwalbe, Vorgeschichte des Menschen. 1903. (Mit eingehendem Literaturverzeichnis.)