Heft 
(1907) 16
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5. 2. ordentliche) Versammlung des XVJ. Vereinsjahres.

Unterkiefergrundrisses aus einer schmalen und langen in eine breite und kurze Hufeisenform notwendig wurde.

Sicher ist also der Homo primigenius eine ausgestorbene, primitive Menschenart. Aber die Verhältnisse werden dadurch verwickelter, daß wir in eben so zweifellos diluvialen Fundstätten auch Schädel finden, die ganz dem heutigen Homo sapiens entsprechen. Der bekannteste Fund dieser Art ist der von Cro-Magnon. Aber alle diese Funde sind begleitet von Feuerstein-Werkzeugen des Magdalenien-Typus (des jüngsten Typus der älteren Steinzeit). Man darf sie daher für jünger halten. Geologisch ist die Scheidung des frühdiluvialen Homo primigenius vom spätdiluvialen und recenten Homo sapiens deswegen sehr schwierig, weil eine Einteilung der Eiszeit sich nur auf Grund der einzelnen Ver­eisungen durchführen läßt und die Menschenfunde außerhalb des Gebietes der damaligen Vereisung liegen. Immerhin dürfen wir als das wahr­scheinlichste folgende Stufenfolge ansehen: I. älteres Diluvium, Elephas antiquus, Rhinoceros Merckii, Homo primigenius, Chelleo-Mousterien- Kultur, 2. jüngeres Diluvium, Elephas primigenius, Rhinoceros ticho- rhinus, Homo sapiens, Solutreen-*) und Magdalenien-Kultur, 3. postglaciale Zeit, heutige Tierwelt, Homo sapiens, Kultur: jüngere Steinzeit und Metallzeiten.

Es ist die Frage, ob Homo primigenius als ein direkter Vorfahre des heutigen Europäers anzusehen ist, oder ob dieser einwanderte und jenen verdrängte. In ersterem Falle müßten wir Ubergangstypen zu finden erwarten. Die Schädel von Brünn, von Podbaba bei Prag, aus der Liane und von manchen anderen Stellen können vielleicht derartige Zwischenstufen bezeichnen, aber hier macht sich der Mangel eines reicheren Materials fühlbar, denn der Übergang vom Homo primigenius zum Homo sapiens müßte so gedacht werden, daß immer häufiger Schädelformen auftraten, die schon innerhalb des Abänderungsspielraums des Homo sapiens lagen. Ein Schädel aber, der das tut, muß natur­gemäß zu Homo sapiens gerechnet werden, alle anderen zu Ilomo primigenius. Die Annahme, daß Homo primigenius und Homo sapiens gleichzeitig unabhängig von einander gelebt hätten, würde bedeuten, daß schon im Diluvium eine scharfe Scheidung der Menschenrassen vor­handen war, und würde vermuten lassen, daß die Paläontologie des Europäers, über die allein wir etwas besser unterrichtet sind, scharf von derjenigen anderer Rassen zu scheiden wäre. Die Kreuzung ver­schiedener Rassen im historischen Europa erscheint damit biologisch noch ungünstiger, wie sonst.

Dieser Gedanke führt auch zu einer besonderen Vorsicht in der

*) Die Solutr^enkultur wird von Hoernes als Besitztum einer besonderen negroiden Rasse angesehen.