6. (2. ordentliche) Versammlung des XVI. Vereinsjahres.
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Vergleichen wir diese Urformen mit dem Menschen, was naturgemäß nur in Bezug auf das Knochengerüst geschehen kann, so ist außer gewissen Abweichungen in den Verhältnissen und den Einzelformen der Knochen der wesentlichste Unterschied die unvergleichliche Entwickelung des Schädels beim Menschen, während die Verschiedenheit in den Extremitäten nicht so groß ist, als sie innerhalb der Huftierreihe Vorkommen. Auch die völlige Arbeitsteilung zwischen Hand und Fuß, die den Menschen von allen Säugetieren unterscheidet, hat die Knochenbildung der Gliedmaßen weniger verändert, als man erwarten sollte. Während die Huftiere ihren ursprünglich vielseitigen Fußbau in immer einseitigerer Weise zum Lauffuß entwickeln, hat der Mensch sich diese Vielseitigkeit bewahrt, seine Entwickelung liegt nicht in der Ausbildung einzelner Organe für bestimmte Zwecke, sondern in dem Ausbau eines Zentralorgans, das eine immer feinere Anwendung der vorhandenen Organe zu möglichst vielen Zwecken erlaubt. Man hat sehr zahlreiche Stufen in der Stammesentwickelung des Menschen mit eben so zahlreichen wie schwer behaltbaren Namen bezeichnet. Da es sich dabei um lauter Konstruktionen handelt, und doch keins dieser konstruierten Ahnentiere uns wirklich anschaulich wird, beschränke ich mich darauf, nur die Gesamtrichtung der menschlichen Entwickelung zu kennzeichnen. Wie bereits beim Vergleich mit den Huftieren hervorgehoben, trägt der Mensch, abgesehen von seinem Schädelbau, einen fast durchweg recht primitiven Chai’akter, d. h. er steht den ursprünglichen Ahnenformen im allgemeinen näher, als die Endglieder anderer Entwickelungen, die von denselben Tieren ausgegangen sind.
Wenn wir in der Erdgeschichte weiter zurückgehen, so wird die Frage nach der Ahnenreihe des Menschen eine Frage nach den Ahnen der Säugetiere. Urne Vorfahren dürfen wir natürlich nicht unter lebenden Formen suchen, und wenn man darüber gestritten hat, ob die Säugetiere von den Reptilien oder von den Amphibien abstammen, so ist das so aufzufassen, daß man sich fragte, ob von den drei Zweigen, deren Endpunkte Reptilien, Säugetiere und Amphibien darstellen, die beiden ersteren oder die beiden letzteren länger einen gemeinsamen Weg genommen hätten. In diesem Sinne scheinen die Säugetiere aut Uramphibien zurückzugehen, und diese wieder auf primitive Fischformen. Suchen wir die Ahnenreihe noch weiter zurückzuverfolgen, so kommen wir in das Gebiet der Wirbellosen, wo wir die nächsten Verwandten der Wirbeltiere (abgesehen von den zurückgebildeten Manteltieren) in den Gliederwürmern zu suchen haben. In dieser reichen Gruppe muß der Ursprung der Wirbeltiere einerseits, der Gliedertiere anderseits liegen, in beiden Stämmen sehen wir eine sehr weit gehende Entwickelung, die in beiden bis zur Ausbildung verwickelter sozialer Einrichtungen geht (Ameise, Mensch). In dem außerordentlich viel verzweigten Stamme