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.8 (0. außerordentliche) Versammlung des XVI. Vereinsjahres.
machte darauf aufmerksam, daß die Vereinigung der beiden Nachbar- gemeiuden, des alten deutschen Neuendorfs und des neuen, 1751 gegründeten böhmischen Weberdorfes Notvawes, zu einer politischen Gemeinde am 1. April d. J. erfolgt sei, der freilich noch ein passender Name fehle. Zunächst wurde der Herberge der 1768 gestifteten Weber- iniiuug Wilhelmstr. 3 ein Besuch abgestattet, bei welchem die im Saale ausgestellten Schätze der Innung (zahlreiche Urkunden, 5 große Willkomm- Humpen und etwa 30 kleinere Zinngefäße, Innungsszepter, Gesellenbänder, die kostbare Gewerksfabne mit den gestickten Inschriften: »Gott segne die Webergemeinde“ und „Webergewerk gegründet durch König Friedrich den Großen den 25. Januar 1768“, uud verschiedene Gewerksabzeichen) nach kurzer Begrüßung durch den Altmeister Herrn Keller in Gegenwart des Obermeisters Herrn Tauschei besichtigt wurden. Herr Keller teilte mit, daß heut gegen 700 Weber dem Gewerk angehören, die sich jetzt hauptsächlich mit Kunst- und Teppichweberei beschäftigen. Die Herberge trägt über der Eingangstür die Hausinschrift: „Gott und des großen Königs Wort versorgten mich an diesem Ort 1772“. Auf dem Wege zur Kirche bemerkte man noch einige der alten von Friedrich dem Großen erbauten „Doppelhäuser“ mit gemeinsamem Eingang, Flur und Herdraum für zwei Familien (Friedricbstr. 26 uud 27, sowie 32 und 33). In der Kirche, die auf behördliche Anordnung in der jetzigen Gestalt erhalten bleiben soll, so daß statt des geplanten Erweiterungsbaus der Neubau eines zweiten Gotteshauses ins Auge gefaßt werden muß, sprach Herr Oberpfarrer Koller über die Geschichte des Ortes. Die Abkömmlinge der böhmischen Weber seien, wie Herr Koller versichert, noch dieselben ehrlichen Leute wie ihre Vorfahren, obwohl man ihnen zuweilen etwas anzuhängen versucht und behauptet habe, durch Nowawes könne kein Fremder gehen, ohne daß ihm die Knöpfe vom Rock geschnitten würden. Früher habe man jedoch niemals die Haustüren verschlossen, die Wäsche habe man sogar über Nacht auf dem Hofe auf der Leine hängen lassen; Diebstahl sei im Dorf nicht vorgekommen. Neuerdings sind die alten Idealzustände allerdings durch den Zuzug von außen ungünstig beeinflußt worden.
Bereits der Große Kurfürst hatte den in ihrer Heimat des Glaubens wegen bedrängten Ausländern, auch Böhmen in seinem Lande Sehutz- und Zuflucht gewährt. So entstand damals im Magdeburgischen das böhmische Dorf Wespane (Wes = Dorf und pane = Herr). Zur Zeit Friedrich Wilhelms I. wurden die böhmischen Gemeinden in Berlin (Wilhelmstraße) und in Rixdorf, welche eigene Gotteshäuser erhielten, gegründet. Friedrich der Große legte dann 1751 die böhmischen Kolonistendörfer Nowa-wes (d. i. neues Dorf) bei Neuendorf (Potsdam) und Friedrichshagen bei Köpenick an und ließ ihnen in Nowawes u. a. 30 Doppelhäuser (Fachwerk mit Lehmziegeln) errichten. Wie stark der